Ich erinnere mich noch gut an meinen ersten bewussten Weineinkauf. Auch wenn ich schon damals gerne Wein verkostete und eine gewisse Vorstellung davon hatte, wie Trauben zu Wein werden, so war ich doch eigentlich vollkommen ahnungslos. Einfach ein paar Flaschen schnappen und mit nach Hause nehmen – das war mir doch etwas zu heiß. So vertraute ich den Empfehlungen der Verkäufer, was ich bis heute nicht bereut habe. Im Wagen landeten damals die Riesling-Gutsweine von Fritz Haag und Dönnhoff, also der Einstieg in das jeweilige Wein-Portfolio. Haag und Dönnhoff – zwei Weltklasse-Weingüter und absolute Ikonen des deutschen Rieslings.
Damals konnte ich mit den Namen nicht wirklich etwas anfangen. Wenn es heute in Gesprächen mit Kollegen um Fritz Haag und Dönnhoff geht, dann wird auch mal über den Unterschied zwischen Brauneberger Juffer und Juffer-Sonnenuhr sinniert, oder darüber, wie sich der Dönnhoff-Stil verändert hat, seitdem Sohn Cornelius mitverantwortlich ist. Sehr oft denke ich dann wieder zurück an meinen ersten Weinkauf, an die Riesling-Gutsweine, die mir so unglaublich gut gefallen haben und letztlich auch ein Grund dafür waren, weshalb ich Weinwirtschaft studieren wollte. Es war einfach der perfekte Einstieg.
Erster Einblick in die Philosophie
Heute würde ich jedem, der sich dem Thema Wein annähern möchte, solch einen Wein ans Herz legen. Vollkommen egal, ob es sich dabei um den Gutswein eines VDP-Weinguts handelt oder nicht. Vollkommen egal auch, ob Deutschland oder der Rest der Welt. Ein erster Blick in das Sortiment eines Winzers, in seine Arbeitsweise und seine Philosophie, in die Charakteristika einer Rebsorte – darum sollte es gehen. Um unkomplizierten Trinkgenuss, jedoch durchaus mit Anspruch und dem gewissen Kick, der einen dazu bewegt, mehr über das Weingut und die Weinerzeugung erfahren zu wollen. Wer weiß, ein Großes Gewächs aus der Niederhäuser Hermannshöhle hätte mich vielleicht damals eher abgeschreckt als große Begeisterung auszulösen. Die Gutsweine hingegen haben es mir leicht gemacht, sie waren unaufdringlich und einnehmend zugleich und zeigten mir zum ersten Mal, dass ein Wein der gleichen Rebsorte und des gleichen Jahrgangs durch seine Herkunft entscheidend geprägt wird. Während der Haag-Gutswein von der Mosel eher feiner und zitrischer daherkam, war der Dönnhoff-Riesling von der Nahe etwas kraftvoller, mit wunderschöner gelber Frucht. Damals wie heute ist das faszinierend.
Wieso sollte ich den Lagenwein eines Weinguts kaufen, wenn dort kein Wert auf die ›einfache‹ Qualität gelegt wird?
In der Basis liegt die wahre Größe
Leider habe ich das Thema Gutswein zuletzt immer wieder ein bisschen aus den Augen verloren. Klar, dass man sich bei zunehmendem Interesse auch immer mehr mit den Feinheiten verschiedener Anbaugebiete und Weingüter beschäftigt, mit Orts- oder Lagenweinen. Die Basis rückt dann zunehmend in den Hintergrund. Dabei liegt hier doch die wahre Größe, sowohl mit Blick auf die Qualität als auch die Quantität. Letzteres, weil die »Basis« auf nahezu allen Weingütern immer den größten Anteil an der gesamten Produktion einnimmt und aus monetärer Sicht letztlich ein Weingut am Leben hält. Und so dürfen in dieser Weinkategorie auch in Sachen Qualität keine Abstriche gemacht werden. Wieso sollte ich den Lagenwein eines Weinguts kaufen, wenn dort kein Wert auf die »einfache« Qualität gelegt wird?
Es gibt Verkoster, die auf Weinmessen ausschließlich Basisweine probieren, um sich ein Bild der Arbeit des jeweiligen Weinguts im Kontext des Jahrgangs zu machen. Eigentlich ist das echt smart. »Die Basis muss stimmen!«, sagte mir einmal ein befreundeter Winzer. Erfreulicherweise stimmt die Basis – und zwar richtig!
Von Jahr zu Jahr besser
Wenn man probiert, was viele Winzer heute an Gutsweinen vorstellen, dann kann man getrost die Korken knallen lassen. In Sachen Preis-Genussverhältnis ist diese Kategorie schlichtweg unschlagbar. Und dabei werden Gutsweine nicht nur von Jahr zu Jahr besser, sondern auch immer mehr zu wirklich seriösen Gewächsen, die auch erfahrene Genießer ansprechen. So ist es auch absolut verdient, dass sie immer mehr in den Fokus der Weinkritik rücken. Stephan Reinhardt, der Parker-Verkoster für Deutschland, gab jenem Gutswein von Fritz Haag, der damals für mich eine Offenbarung war, ganze 94(!) Punkte für den Jahrgang 2019. Ein absolutes Statement, denn damit spielt der Wein auf dem Niveau einiger hochkarätiger GGs. Auch die großen deutschen Weinguides Vinum, Eichelmann und Co. widmen sich immer häufiger dem qualitativen Einstieg, mit eigenen Ranglisten oder mit besonderen Preis-Genussempfehlungen – das sind diese Weine letztlich fast immer. Für einen Winzer muss das doch eigentlich das schönste Lob für die getane Arbeit sein. Denn bei den Gutsweinen steht allein der Winzer im Fokus, kein Ort, keine Lage, nur die Persönlichkeit und der Jahrgang. Quasi der reinste Ausdruck der Philosophie.
Der Blick über den Tellerrand
Ein weiterer Gutswein, der exemplarisch für den Aufstieg der Kategorie ist und vor Understatement nur so strotzt, ist der Gutedel »Heugumber« von Hanspeter Ziereisen aus Efringen-Kirchen im Markgräflerland. Der Wein liegt preislich weit im einstelligen Bereich und räumt – so hoffe ich inständig – mit allen Vorurteilen auf, die dieser unterschätzten Rebsorte entgegengebracht werden. Und auch international lohnt sich die Recherche. Im Burgund etwa reichen die Pendants zum deutschen Gutswein, die Bourgogne Blanc und Rouge, nicht selten locker an hochklassige Village-Gewächse heran. Richtige Spaßmacher sind das, zu einem absolut fairen Preis. Erst kürzlich hatte ich so ein Aha-Erlebnis mit dem Bourgogne Rouge von Agnes Paquet. Das Wort »Basis«, so scheint es mir, ist langsam wirklich fehl am Platz.