Das Burgund ist und bleibt für viele Weinliebhaber das Nonplusultra und die finale Anlaufstelle. Denn hier finden sich dank der über Generationen perfektionierten und bis ins kleinste Detail herausgearbeiteten Lagen und Appellationen derartig unterschiedliche Stile wider, dass man allein ein Weintrinkerleben mit der Entdeckung und Verinnerlichung der unterschiedlichen Climats verbringen könnte. Um Ihnen diese Vielfalt etwas näher zu bringen und die Favoriten des aktuellen Jahrgangs hervorzuheben, berichte ich auf meiner Reise durchs Burgund von den Winzerbesuchen.
Im Zentrum steht der Jahrgang 2016, der nun nach dem von Journalisten und selbst Winzern vielerseits hoch gelobten Jahrgang 2015 allmählich gefüllt und bald auch von Winzern angeboten wird. Ich werde eine Woche im Herzen der Region verbringen. Meinen Start macht Chablis als nördlich gelegenste Region Burgunds. Danach geht es weiter an die Côte d’Or und final auf einen kleinen Abstecher über das Mâconnais ins Jura.
Chablis
Wenn ich im Burgund bin, beginne ich immer gerne von Norden und arbeite mich dann gen Süden runter. Dabei bekommt man nicht nur eine besseres räumliches Verständnis vom Burgund, sondern erfährt auch direkt die klimatischen- und damit weinbauspezifischen Unterschiede. Chablis bildet die nördlichste Anknüpfstelle Burgunds. Genau genommen ist Chablis ein eigenständiges Anbaugebiet für sich. Denn das Klima ist hier durchaus forscher, wir befinden uns am äußersten Punkt des Weinanbaus. Die zweite Besonderheit ist ebenfalls den klimatischen Verhältnissen geschuldet.
Im Chablis wird nur Chardonnay angebaut. Pinot Noir würde hier kaum ausreifen und ist zudem zu sehr vor Frost gefährdet. Und das ist die Achillesverse des Anbaugebiets. Das Chablis hatte seit 2011 keinen normalen Jahrgang mehr zu verzeichnen. So waren die Jahre mengentechnisch teilweise Totalausfälle. 2016 ist wieder ein solches Jahr. Zunächst hatte man mit Spätfrösten zu kämpfen. Diese erstickten in manch Parzellen die Ernte bereits im Keim. Es gab keine Trauben. Dann kämpften einige Winzer in ihren Lagen mit Botrytisbefall, der hier keineswegs erwünscht ist. Der Pilzbefall lässt die Weine plump und unsauber daherkommen. Man muss daher wissen, dass die Winzer im Chablis die letzten Jahre meist ausverkauft waren und nicht alle Anfragen bedienen konnten. Die Ernteverluste und Ausfälle zwangen diese zu Preisanstiegen. Daher ist Chablis rasant teurer geworden. Glücklicherweise spielt sich das Preisniveau immer noch im faireren Rahmen ab, denn als nicht im Herzen der Côte d’Or gelegene Appellation konnte Chablis nie die Reputation wie die Top-Appellationen an der Côte de Nuits und Côte de Beaune einfahren. Dieses klimatische Grenzgebiet macht Chablis aber zu einer der spannendsten und charmantesten Regionen Frankreichs. Es ist wirklich nicht leicht, hier Weinbau zu betreiben und mit jedem Besuch steigt mein Respekt gegenüber den Winzern, die sich hier niedergelassen haben. Man muss quasi Optimist sein, um hier zu überleben.
Domaine William Fèvre
Ich starte meinen Tag bei William Fèvre. Die Domaine Fèvre ist der Klassiker der Region und eines der Häuser, welches weltweit die Reputation Chablis nach außen trägt. Einer der größeren Erzeuger. Das aber auch, und dies sollte man wissen, weil es bei William Fèvre zwei Linien gibt. Die Negociant-Ware, die in deutlich größeren Mengen produziert wird und aus Zukaufware besteht und die Domaine-Weine. Wir importieren ausschließlich die qualitativ anspruchsvollen Domaine-Füllungen. Fèvre hat einen riesigen Fassweinkeller. Man baut überwiegend in gebrauchtem Holz aus. Bei William Fèvre verkosten zu können, bedeutet auch immer eine Lehrstunde in der Diversität der verschiedenen Crus zu bekommen. Denn kein anderes Haus greift auf eine derartige Lagenvielfalt zurück. Es gibt quasi jeden bedeutenden Cru in Chablis auch bei William Fèvre.
William Fèvre hat in 2016 nur rund 30 % eines normalen Jahrgangs eingefahren. Der Jahrgang ist noch nicht verteilt aber man spekuliert damit, den größten Teil in den Export zu geben. Das bedeutet auch, dass Frankreich selbst nur eine Kleinstmenge behalten wird. Um diesen Mengenverlust einzufangen, haben wir einige ältere Jahrgänge nachkaufen können. So wird es einige 2015er, etwas vom fantastischen 2014er Jahrgang und selbst einige Flaschen 2013 geben. Ich beginne die Verkostung mit dem Petit Chablis 2016. Allgemein ist 2016 ähnlich wie 2015, also eher warm mit weniger Säure aber guter Balance. Doch 2016 hat eine Spur mehr Sex-Appeal im Glas bei den meisten Weinen. Der Negociant-Petit-Chablis hat viel Pfirsich, reife Nektarine und einen ausladenden Körper. Leicht und beschwingt aber noch nicht das Niveau wie bei den Domaine-Weinen. Schöner ist der Chablis der Domaine 2016. Auch hier viel Nektarine, ausladend aber hier hat man schon eine leichte Struktur, etwas Mineralisches und das fasziniert. Genau das macht den feinen aber wichtigen Unterschied. Richtig spannend wird es bei William Fèvre mit den 1er Crus.
Der 1er Cru Montmains 2015 wurde zu 30 % im Fass vergoren. Diese sind bis zu acht Jahre alt, bis sie ersetzt werden. Hier gibt es mehr Ton und Mergel, daher ist Montmains auch etwas kräftiger und dichter. Ein Langstreckenläufer der sein Speck abwerfen muss. 2015 riecht nach Kalkstaub, dann auch etwas Heu und Nashi-Birne. Alles sehr fein und weißfruchtig. Am Gaumen kommt erst etwas Speck und Öligkeit. Der Wein hat Kraft aber gleitet fein über den Gaumen. Dann entfaltet sich etwas Steinobst aber mehr Zitrusfrucht und Senf. Er gleitet lang dahin. Der Bougros ist ein wunderbarer Grand Cru, dem man erst mal mindestens 2–3 Jahre Flaschenreife geben sollte, damit die mineralischen, ja steinigen Noten mehr zur Geltung kommen. Bougros grenzt an Preuses an, liegt etwas flacher auf. Er hat eine leicht speckige Nase, also etwas Lardo. Dann Stroh, gelbe Birne, etwas Mirabelle. 2015 ist schon sonniger und reifer im Stil. Lang und gerade, kräftig und tief. Das ist fein strukturiert. Der Reife steht Fleisch und Säure entgegen. Ein Chablis, wie er wohl sehr gut reifen wird und viel Potenzial hat. Man sollte bei den 15ern etwas warten, wenn man die Fleischigkeit ablegen will aber gleichzeitig kann man diese Weine gnadenlos gut jung trinken, weil sie so generös sind und anders als ein klassischer Chablis-Jahrgang wie 2014 direkt viel zeigen!
Der Monte de Tonnere 2015 besteht aus rund 70-jährigen Reben in der Unterparzelle Cote de Bréchain. Die Nase ist dunkel, rauchig, etwas Kreide, dann Zitrusschale und nasse Wolle. Am Gaumen ist das schlank aber generös ausladend. Der Wein wandert immer wieder, entfernt sich und kommt dann wieder näher. Es folgt aus 2015 Beauroy. Dies ist ein 1er Cru klassischer Art. Eine etwas wärmere Lage mit reifen Chardonnay-Noten aber eben präziser Mineralität, die man bei einem 1er Cru erwartet. Die Lage wird oft etwas unterschätzt, weil der Wein daraus oft sehr leicht und elegant ist. Aber in warmen Jahrgängen wie 2015 ist das eine wunderbare Verbindung. Nur kennen viele diesen 1er Cru nicht, auch weil die beiden Chablis-Legenden Dauvissat und Raveneau hier keine Lagen besitzen. Weiße Blüten, etwas Alba-Trüffel, dann Kamille und Boskoop Apfel sind hier präsent. Am Gaumen ist der Beauroy 2015 sehr geradlinig, etwas Lakritz und Pampelmuse kommen auf, dann wieder Kamillentee. Ein schmelziger 1er Cru mit Tiefgang und leichten Dijon-Senf-Noten im Abgang. Aber er bleibt immer zart und federleicht. Sehr schön. Ich würde diesen 1er Cru immer in warmen Jahrgängen vorziehen, da er hier dann die nötige Tiefe entwickelt aber oft nicht so reif daherkommt, wie die opulenteren Grands Crus. Und in schlankeren Jahrgängen wie 2014 greift man dann zu anderen Lagen. Das ist quasi ein Geheimtipp. Eine Lage, die unter dem Radar fliegt und im richtigen Jahrgang extrem gut sein kann. Jedem Chablis-Liebhaber sollte klar sein, dass 2014 mit Abstand der herausragendste Jahrgang seit vielen Jahren ist. Hier auf der Verkostung vor Ort zeigt sich nochmals, welch Größe der Jahrgang besitzt. Alle Winzer deklarieren ihn als den vielleicht bilderbuchhaftesten Jahrgang des Jahrzehnts. Hier hat man nämlich eine enorme Schlankheit, eine prägnante Säure, wenig Frucht, dafür viel Kreidenoten und Mineralität. Alles was das nördliche Chablis ausmacht. Der Grand Cru Bougros 2014 hat eine leichte Reduktionsnote, dann kommt etwas Kreidestaub, und erst im dritten Ansatz eine Frucht in Form von Mirabelle. Am Gaumen Granny Smith, Limettenabrieb und etwas Quitte. Der Wein hat eine für einen Grand Cru außergewöhnliche Kargheit, nicht so viel Fleisch wie zum Beispiel ein Preuses. Daher ist er wohl in der Jugend auch etwas zugänglicher, was man nicht als fehlendes Lagerpotenzial unterschätzen sollte. Bougros hat 50 % Holzanteil. Wir haben 2017 extra nochmals eine Menge ergattern können und sind weiterhin fasziniert von der Größe des Jahrgangs. Speziell beim Bougros hat man einen enormen Tiefgang in Verbindung mit Lagerpotenzial. Das ist ziemlich nahe an der Perfektion eines exzellenten Chablis. Mehr kommt nur mit der Reife.
Der 1er Cru Vaulorent 2013 folgt nun. Vaulorent ist eine unterklimatische Abteilung der Lage Fourchaume und liegt exakt an der Grenze zum Grand Cru Preuses, der Erhabenste und Mächtigste aller Grand Crus. 2013 war anders als 2014 ein sehr warmer Jahrgang mit weicherer Säure. Nur muss man verstehen, dass wir hier im nördlichen Chablis sind und das im Kontext der Region zu sehen ist. Warum dieser 2013er 1er Cru so überzeugt, liegt vor allem daran, dass sich Fèvre dazu entschied in 2013 früh zu lesen. Die physiologische Reife war gegeben, die Säure konnte so erhalten werden. Wer das nicht erkannte, hatte Probleme mit Botrytisbefall, der anders als beim edelsüßen Riesling überhaupt nicht erwünscht ist und den Wein sehr unsauber erscheinen lässt. Wir sind hier stilistisch nicht so klar in Chablis wie in 2014 aber auch nicht so karg. Das ist fast schon eher ein generöser Chassagne-Montrachet oder ein zarter Puligny. Der Wein hat ein gutes Gerbstoffgerüst. Das strukturiert ihn. Blind würde man wohl wirklich auf Chardonnay von der Cote d’Or schließen. Sehr würzig und schön zu trinken. Wir haben diesen Wein extra nachgekauft, weil er sich so gut zeigt. Er hat nun auch die erste Trinkreife erreicht und zählt zu den herausragenden Weinen des Jahrgangs! Es folgen noch zwei Fassmuster aus 2016. Montmains und Vaillons. Ersterer hat eine wunderbarer Kreidestein-Nase, ist sehr rauchig und leicht reduktiv. Die Frucht ist quasi völlig im Hintergrund, bis auf etwas Zitrusschale. Am Gaumen hat der Wein ganz leicht Gerbstoff und ist dann puristisch und geradlinig, wie ein Chablis sein soll. Der Wein streichelt quasi den Gaumen. Vaillons hat mehr Kalkstein als Montmains, ist eine wärmere Lage, weil der Kalkstein das Licht reflektiert und speichert. 30 % im Holz. Hier hat man etwas mehr gelbe Frucht als beim puristischen Montmains, der direkt unterhalb des Vaillons liegt. Cremig aber Chablis-typisch etwas karger und härter am Gaumen. Man schmeckt die Kreide!
Patrick Piuze
Mein nächster Termin ist keine zwei Straßen entfernt. Patrick Piuze. Das ist mein Tageshighlight. Piuze stammt aus Quebec, ist also Franco-Kanadier. Es ist ganz einfach. Neben den sehr teuren und meist vergriffenen, da so raren Erzeugern Dauvissat und Raveneau ist Patrick Piuze unter den Top 3 der Region zu verorten. Piuze gründete erst 2008 seine eigene Domaine. Er traft Marc Chapotieur im Skiurlaub. Als Serendipität ergab sich quasi diese Fügung. Piuze reiste weiter, eröffnete eine Weinbar in Montreal, fand dann Anfang der 2000er Jahre seine Heimat Burgund. Nach Aufenthalt bei Oliver Leflaive knüpfte er die notwendigen Kontakte. Piuze ist immer noch Boutique-Winzer. Er betreibt ein Negociant-Business, da er als Einmannunternehmen keine heute unbezahlbaren Lagen erwerben kann. Der Anspruch ist aber allerhöchste Qualität. Im Keller arbeitet er nicht mit pneumatischer Presse, sondern mit einer mechanischen Presse. Kein neues Holz lautet das Motto bei ihm. Auch ihn traf es hart in 2016. Und so steige ich mit dem Terroir de Courgis 2016 ein. Courgis ist eine Ortschaft, die südlich der Grands Crus liegt. Man kann sie am besten von der 1er Cru Lage Butteaux aus betrachten. Das sind Chablis-Lagen, die einen wunderbar generösen aber immer typischen Chablis abgeben. Genau daher ist das Patrick Piuzes idealer Einstiegswein, der alle Eigenschaften und Eigenheiten in sich trägt. Ich habe hier etwas Pfirsich, dann weiße Blüten und Tonkabohne. Am Gaumen feine Gerbstoffe und eine zarte Struktur. Kamille, Fenchel, Anis aber auch reife Aprikose. Eine perfekte Mischung zwischen Kargheit und expressivem Chablis. Und dazu immer die Spur Dirtyness und Laissez-faire, welche die Weine von Patrick Piuze ausmachen. Und nebenbei gesagt ist das hier schon ziemlich ernst zu nehmender Chablis!
Die Cuvée Terroirs des Decouverts verdeutlicht, mit welch dramatischen Umständen die Winzer in Chablis zu kämpfen haben. Das war mal als eine Big Cuvée angedacht, wie Patrick sagt. Hier standen mal rund 26.000 Flaschen dahinter. In 2016 sind es nur circa 3.000! Piuze hatte hier mit allen Unannehmlichkeiten zu kämpfen. Also Mehltau, dann Frost, Hagel und teilweise verbrannte Trauben. Herausgekommen ist dieser trotzdem gnadenlos selektionierte Chablis in Kleinstauflage. Ein fein strukturierter, sehr ausgeglichener und toller Einstieg in die Welt von Piuze. Dann kommt der Grand Cru Bougros! Bougros ist der kleinste unter den Grand Crus von Patrick Piuze. Patrick hat ihn bei meinem Besuch im Oktober erst wenige Tage zuvor gefüllt. Ein grünlich golden glänzender Chardonnay-Traum! Duftige Äpfel, wie feinster Calvados. Dann Lakritz und die typisch reduktiv und rauchig anmutende Kimmeridge-Nase. Am Gaumen ist der Bougros extrem strukturiert. In der 2016er Kollektion bei Piuze sicher der komplexeste Wein. Man hat richtig Grip am Gaumen. Er ist knochentrocken und ausladend. Das macht Spaß. Ich habe hier Kamille, eine feine Säure und dezent Lakritz und etwas Honigmelone. Hält lange an. Wirklich ein schöner Jahrgang bei Patrick Piuze! In Jahren, in denen Patrick Piuze keinen Fourchaume produziert, keltert er die Trauben in seinem Vaulorent. Vaulorent ist ein Teil seiner Lage Fourchaume darf aber nicht als Grand Cru bezeichnet werden.
Das interessante ist, dass Vaulorent gar nicht direkt mit Fourchaume verbunden ist. Viel mehr grenzt dieser 1er Cru an den Grand Cru Preuses an, liegt oberhalb von ihm. Piuze hat in 2016 einen fantastischen Jahrgang abgelegt. Er liegt klar vor den 2015ern. Denn 2016 hat mehr an Säure, was die Weine eben so typisch macht und stilistisch so nur im nördlichen Chablis vorkommt. Trotzdem bleibt Vaulorent immer eher kräftiger. Ein leicht sahnig-vanilliges Bouquet. Mit dem zweiten Schwenken kommt dann auch Minze raus, etwas gelbe Kiwi und Tonkabohne. Am Gaumen hat man eine energievolle Säure und trotzdem ist der Chablis in 2016 eher elegant. Aber er hat auch Grand-Cru-Power. Die erzeugt er durch Druck am Gaumen. Man merkt, da steckt viel Extrakt im Glas. Ein immens ausladender Chablis, der am Gaumen schwebt und bei aller Kraft geradlinig daherkommt, sehr verführerisch wirkt. Wunderbar! Zum Abschluss gibt es einen Wunsch aus der Raritätenkammer: Vaillons Minots 2009. Der Wein glänzt durch Champignons, Tonkabohne, etwas Vanille, ist schon gereift aber zu perfektem Zeitpunkt geöffnet. Der Wein zeigt, wohin die Reise geht. Patrick kann extrem stolz auf seine 2016er sein. Sie zählen zur absoluten Spitze des Jahrgangs! Es bleibt noch etwas Zeit für den Austausch neuer Adressen und natürlich auch den Plausch über eine gemeinsame Vorliebe: Winzerchampagner. Man merke sich, wenn Winzer über den eigenen Tellerrand hinausblicken und verfolgen, was Kollegen produzieren, handelt es sich meist um einen Toperzeuger. Denn nur so kommt man an der Spitze an. Dann geht es aber auch schon weiter, denn die kleine Allokation ist verkostet. Und tatsächlich etikettiert und packt Patrick heute die Flaschen, welche schon bald unser Lager erreichen sollen.
La Chablisienne
Ich fahre rund 300m weiter und bin schon beim nächsten Betrieb. La Chablisienne ist eine Kooperative. Aber eine der anderen Art. Denn diese ist qualitätsbestrebt. Das liegt vor allem am fantastischen Hervé, der mich auch in diesem Jahr herzlich empfängt. Hervé ist ein wahrer Kenner Chablis und ich kenne wenige Personen, die so prägnant und lebhaft die unterschiedlichen Lagen und Parzellen erklären können. Stilistisch ist La Chablisienne nicht mit Fèvre vergleichbar. Das liegt auch an der Vinifikation. Holz mag man hier nicht, genau so wie gelbfruchtige Aromen. Die Weine werden überdurchschnittlich kräftig gepresst, daher haben sie eine immense Struktur ob der Gerbstoffe. Gute Essensbegleiter. Wer die technischen Hintergründe kennt, weiß, hier muss man behutsam und penibelst Vorarbeit leisten. Denn nur gesundes und reifes Lesegut hat das Potenzial. Der Chablis verbleibt zudem lange auf der Feinhefe, man betreibt wenig Bâtonnage, damit die Weine präziser und nicht zu breit und cremig daherkommen. Und man gibt den Weinen Zeit.
Ich beginne mit dem Petit Chablis, der untersten Qualitätsstufe im Chablis. Das Bouquet ist eine Mischung aus weißen Blüten, etwas Apfel und gelber Kiwi. Am Gaumen ist dieser Petit Chablis geradlinig, brillant und frisch. Ein leicht strukturierter Chablis, der aber bereits schon Alterungspotenzial hat. Mit dem Jahrgang 2016 trägt der Wein den Zusatz »pas si petit« was so viel bedeutet wie »gar nicht so klein« und eine Anspielung auf das Potenzial dieses Weines ist, der aus der Appellation Petit Chablis stammt. Immer ein guter Weinwert bei La Chablisienne. Danach geht es weiter mit den 2015ern. Da La Chablisienne den Weinen so viel Zeit bis zur Vermarktung gibt ist 2015 der aktuelle Jahrgang. Um es vorwegzunehmen: Ich bin begeistert, wie viel Frische der eigentlich warme Jahrgang hier hat. Es sind – und dies ist ein Lob – die unfruchtigsten 2015er die ich im Chablis kenne. Alles geht in Richtung Mineralität! Die Chablis La Sereine und Venerables sind gelungene Exemplare des 2015er Jahrgangs. Aber sie müssen einfach passen, wenn solch geniale Weine wie der Montmains zum Lagenportfolio des Hauses zählen. Montmains befindet sich südlich der Grands Crus und ist eine extrem spannende Lage. Sie besteht aus den beiden 1er Crus Butteaux und Foret. Davon ist der wohl bekannteste Butteaux. 95 % Butteaux stecken hier in diesem 1er Cru. 2015 gilt allgemein nicht als einer der ganz großen Jahrgänge im Chablis, weil es wärmer war. Aber dieser 2015er Montmains hat mich derartig überzeugt, dass ich in diesem Jahr mit dem 1er Cru anfangen möchte. Er wird den immer feinen und so charmanten Fourchaume ergänzen. Hier hat man mehr Lehm als Kalkstein. Kalk gilt für Burgunder immer als das Nonplusultra. Aber im kalten und nördlichen Chablis ist ein gewisser Lehmanteil absolut förderlich. Das macht den Montmains immer etwas fester und tiefgründiger. Welch ein Wahnsinns-Bouquet. Feinste Kalksteinnase, voller Energie. Dieser Montmains ist sofort präsent. Alles ist fein und präzise aufgedröselt. Man hat etwas Birne und Kalkstein und das war es neben etwas Zitrusabrieb auch schon. Am Gaumen hat man ebenfalls wieder diese Chablis-Finesse und puristische Aromatik. Knochentrocken, dezent griffig am Gaumen. Ein glasklarer Chardonnay und eine quickfidele Cuvée, der es so gar nicht an Säure fehlt.
Der 1er Cru Fourchaume 2015 zeigt ein schönes Bouquet. Ein bisschen Pfirsich, etwas reife Birne, sehr kühl in der Art für den warmen Jahrgang 2015. Am Gaumen fleischig und ausgeglichen, sehr zugänglich. Das macht Freude. Diese Cuvée hält sich sehr lange, ist über viele Jahre immer direkt präsent und hat wenig Verschlussphasen. Gelbe Kiwi, sehr klar am Gaumen. Auch wenn die Säure weicher ist, hat der Wein viel Frische. Da ist La Chablisienne ein enorm guter Fourchaume geworden. La Chablisienne macht 3 Cuvées aus dem Fourchaume. Das ist die klassische Cuvée und meist mein Favorit, das sie so charmant daherkommt. Ein echt gastronomischer Wein. Der Grand Cru Les Preuses ist in 2015 ein echter Dampfhammer. Feine Nase von grünen Früchten, auch etwas Quitte. Das ist super präzise, leicht, nicht cremig, sehr ausdrucksstark. Er zieht seine innere Spannung aus echter Tiefe, nicht aus alkoholischer Kraft. Ein wunderbarer Grand Cru. Das Burgund zieht seine wahre Begeisterung aber aus der Reife. Also gibt es zum Abschluss zwei Leckerlis, für die sich die Reise bereits gelohnt hat. Der 1er Cru Fourchaume 2009 aus der Magnum zeigt sich straff, salzig und präzise. Er ist elegant und trinkig und lässt all die Kommentare vieler Journalisten über das vermutlich kurze Trinkfenster der 2009er verblassen. Ganz beeindruckend ist dann der 1996er Château Grenouilles Grand Cru aus der Magnum. Hier hat man erste echte Reifenoten in Form von Vanille, Tonkabohne und Quitten. Ein in Magnumflaschen gefülltes Monument und Beweis dafür, wie gut Chablis reifen kann.
Bevor ich aus Chablis abreise um mich nach Beaune zu begeben, folgt noch ein kurzer aber abenteuerlicher Trip mit Hervé im Auto. Hervé möchte mir die Grands Crus zeigen sowie den 1er Cru Butteaux und einige Lagen um Courgis herum. Die Besonderheit und damit auch die größte Herausforderung im Chablis liegt in der Vielfalt der Crus. So gibt es 1er Crus aus denen bis zu drei verschiedene Weine erzeugt werden. Denn einige 1er Crus lassen sich feiner untergliedern, tragen dabei aber nicht die ursprüngliche Bezeichnung. Wie durchdacht dies aber ist, zeigt genaue jene Tour durch die Weinberge. Denn hier wird schnell klar, dass im Burgund metergenau verschiedene Terroirs nebeneinander existieren können. Chablis ist eben ein Grenzgebiet in jedem Sinne, nicht nur klimatisch!