Von Thiemo Kausch

Aus Liebe zum Wein – Michael Teschke

Michael Teschke

An manchen Tagen merkt man, dass man den richtigen Beruf gewählt hat. Wenn einem wieder mal bewusst wird, dass wir alle mit Herz und Blut und noch mehr als das für ein Produkt leben, dass voller Geschichten steckt und von Menschen kommt, die mit so viel Würde und Überzeugung hinter ihrem Werk stehen können. Ein Mensch, ein ganz besonderer Mensch, kann das mit großer Gewissheit. Michael Teschke geht es nicht um hohe Bewertungen, die kommen ganz von allein. Ihm geht es um seine Freunde, um Menschen, die seine Weine genießen wollen, um Schnecken und Spinnen, um gesunden Boden, um Globalisierung, um Verständnis und um Rucola. In ganz besonderer Form und unzensiert lesen Sie hier seine Stellungnahme zu den jüngst veröffentlichten, tollen Bewertungen von Stuart Pigott. Und ein Brief an Rudolf darf natürlich auch nicht fehlen. Viel Freude und lieben Dank an Michael!

Stellungnahme für Lobenbergs Gute Weine

Sehr geehrte Kunden von Heiner,

aus gegebenem Anlass möchte ich Sie persönlich in die Benutzung meiner Weine einführen.

Im September dieses Jahres erschien bei James Suckling eine Verkostungsreihe meiner Weine mit für mich beeindruckenden Ergebnissen. Was für mich jedoch plausibel erscheint, bedarf an anderer Stelle einer Erklärung. Jedenfalls steht am Ende jeder Bewertung der Trinkzeitpunkt; bei zwei der Weine steht »drink now!« das war im September, jetzt haben wir gerade einmal Anfang November und sind von »drink now!« zeitlich kaum entfernt. Heute morgen wollte ich Wein für Heiner ausliefern, aber Lobenberg halbierte die Menge, weil es noch drink-now-2015er-Ohne-Grenzen war. Es bestehen bereits so viele Bestellungen auf den 2016er ›Ohne Grenzen‹, dass man diese Erwartungen nicht zu lange enttäuschen möchte, schließlich gehen wir auf das Jahr 2018 zu und alle, die schlecht rechnen können, empfinden den Unterschied als zwei Jahre. Tatsächlich kann es nur lediglich ein Jahr sein, das sich dahinter verbirgt, also die Hälfte!

Um es am eben angeführten Wein weiter zu beschreiben, fingen die ersten Moste dieses Weines aus 2017 bereits an zu gären, als 2016 im Dornröschenschlaf im Tank daneben in meinem Keller lag. Er wurde erst am 10. Oktober gefüllt und lag damit bereits ein Jahr auf der vollen Hefe. Selbst wenn ich nach der Füllung hier schon nicht mehr von Limonade spreche, so handelt es sich trotzdem um keinen bereits vollständigen Wein. Deshalb gibt es noch ausreichend drink-now-2015-Ohne-Grenzen.

Ich bin viel im Weinberg, im Keller, morgen keltere ich die letzten weißen Trauben – blauer Sylvaner maischevergoren – indem ich ihn selbst von Hand, Eimer für Eimer, auf meine Spindelpresse aufschütte. Das mache ich seit nunmehr 20 Jahren mit fast allen Trauben immer noch selbst. In dieser Zeit, das garantiere ich Ihnen, verkaufe ich den 2016er ›Ohne Grenzen‹ nicht am 2015er und somit an Ihnen vorbei, denn ich habe einen Eimer und kein Telefon in der Hand! Auch wenn ich im Wingert bin, passiert das nicht. Es besteht also gar keine Eile für den neuen Jahrgang und Sie können sich sicher sein, wenn überhaupt finden Sie hier meinen neuesten Wein – bei Heiner!

Machen Sie sich einmal die Mühe und betrachten Sie sich meine Hände auf Bildern, im Übrigen mache ich meine Bilder ebenfalls alle selbst, und Sie werden kaum die Hände eines heutigen Winzers erkennen, eher die Hände eines Schmieds. Denn meine Weine sind handgeschmiedet, nämlich von mir selbst. Vergleichen Sie meine Weine mit einer besonderen Schmiede, so entsprechen die kleinen davon etwa 300 bis 400 Faltungen und die größeren einer Faltung von 900 bis 1.000 – Klingen, die sie nie mehr werden schärfen müssen – Samurai, das garantiere ich Ihnen.

Sollten Sie in den Genuss kommen, mein Füße zu sehen, werden Ihnen große Risse und Verwerfungen auffallen. Es sind nicht die Risse in meinen Füßen, sondern Sie sehen die verlängerten Risse in unserer Erdkruste, die Stöße der tektonischen Platten. Denn ich bin ein ziemlich geerdeter Mensch, weshalb ich auch fast ganzjährig Sandalen trage – auch dafür, dass der Schmutz, den ich über ein Jahr aufsammle, auch von selbst wieder herausfallen kann, ohne dass ich Schuhe ausziehen muss. Im Kontext eines Galamenüs stehen als 2. und 3. Gang zwei Vorspeisen bereit –  sie stehen symbolisch für die zwei Jahrgänge eines Weines. Stellen Sie sich vor, Gang Nr. 2 flasht Sie so sehr, dass Sie Gang Nr. 3 kaum noch erwarten können. Essen Sie jetzt deshalb Gang Nr. 2 nicht mehr auf? Ich kann nur sagen und empfehlen: drink more of drink-now-2015-Ohne-Grenzen-90-Punkte-Suckling und setzen Sie meinen Lieblingshändler zukünftig mit mehr Fingerspitzengefühl und Weinkultur unter Druck.

Michael Reschke Fuß

Wenn ich mich auf meinem kleinen Berg mit dem marokkanischen Fahrer eines deutschen Spediteurs auf Französisch über eine Lieferung in die Schweiz unterhalte, man sich mit à tout à l’heure und einem Kuss auf die Backe verabschiedet, dann ist der perfekte Fall von Globalisierung eingetroffen. Danke, Max

Weinfeld Michael Teschke

Briefe an Rudolf

Bitte entschuldige, dass ich so lange nichts von mir hören ließ, aber die Ereignisse dieses Jahres hielten mich bis zum 1. November in Atem; an diesem Tag kelterte ich die letzten Sylvaner. So unglaublich die nächsten Zeilen auch klingen mögen, du musst mir glauben, denn es hat sich alles wirklich genauso zugetragen. Nun … ich kehrte am 2. März, dieses Mal wohlbehalten, naja, eine kleine laotische Tätowierung eiterte noch ein wenig vor sich hin, ins Weingut zurück, wo mich die erste Hiobsbotschaft ereilte: Einer meiner Mitarbeiter hatte sich mit Depressionen krank gemeldet und fiel für die kommenden Monate vollkommen aus. Dennoch hielt ich an meinen Plänen fest und rodete ein unendlich langes Rech voller Dornen und Brombeeren, das meinen Kollegen und mir seit langem große Probleme mit den Trauben bereitete. Es machte mir großen Spaß, diesen Hang neu zu gestalten denn ich ließ einige Rosen, solitäre Holunder, Nussbäume und auch prunus avium stehen – eben etwas für alle – immer noch! Sämtliches Holz, bis auf den dünnsten Zweig, häckselte ich und lagere es nun bis zur Rotte in der Nähe der Wingerte. Im Anschluss »räuberte« ich alle Ställe auf meinem Berg, sei es die Kuh, das Pferd, der Esel, die Gans oder nur das Huhn gewesen – alle spendeten eifrig und mein Berg wuchs zu einem neuen Berg voller Energie an – er wäre deinen Augen sehr zur Freude, würdest du ihn sehen.  Danach begaben mein festangestellter und eingearbeiteter Mitarbeiter und ich uns daran, die alten Weinberge durch Zupflanzungen auf Dichtpflanzungen umzustellen. Es war eine Sauarbeit und selbst mit dem Erdbohrer war es die reinste Quälerei. Es war auch kein Wunder, denn meine Schnecken konnte ich in all der Zeit gar nicht beobachten – sie waren nie zu sehen – und da ich gelernt hatte, dass keine Beobachtung auch bereits eine Aussage war, wusste ich, dass es eine Heidenarbeit bleiben sollte.

Teschke Frosch

Mittlerweile hatte Kamerad Hiob seinen zweiten Strauß überreicht und das hatte zur Folge, dass mir mein Mitarbeiter eröffnete, er käme diesen Sommer nicht. Ich bot ihm sogar Geld, dass er damit seine Angelegenheit zuhause bereinigen könne, aber er lehnte ab. Ich bat ihn inständig um eine bessere Lösung, denn es würde bei mir Chaos ausbrechen und ich erinnerte ihn an sein Wort, dass er mir einst gab, doch er blieb stur. Was er damit alles zerstörte, wird er nie erfahren, denn jetzt kann er nicht mehr nach Deutschland kommen …

Es begannen sehr einsame Tage, unendlich vollgestopft mit Arbeit und Unzufriedenheit, doch ich wollte mir nicht irgendeine Hilfe erkaufen, die meine Weingärten nicht versteht oder ihre Energie gar zerstört. Einmal in der Folgezeit ließ ich mich zuhause bequatschen und willigte ein, sodass Folgendes geschah: In meinen 22 Jahren Weinbau konnte ich erstmalig beobachten, dass eine Rucolapflanze mitten aus dem alten, gekrümmten Rebdamm wuchs. Ich fühlte mich unglaublich geehrt durch Mutter Natur und hegte, bzw. beobachtete, diesen Fund, bis ich Livio traf, ein Rumäne mit einem Gesicht voller Lügen, das man die ganze Zeit ohrfeigen möchte. Dieser Ausdruck von Stumpfsinn brachte es an seinem zweiten Tag fertig, dieses Wunder der Natur, das mittlerweile die ganze Rebe eingesponnen hatte, kurzerhand abzuschneiden. Ich fühlte mich stark gedemütigt! Mit Mühe konnte ich ihm klar machen, dass die mittlerweile übermannshohen und wunderbar violett blühenden Disteln stehen zu bleiben haben, egal ob sie bei der Arbeit stören. Ich hatte hunderte davon …  

Die Arbeitslage verschärfte sich durch guten Wuchs immer mehr, meine Suche nach einer guten Kraft verblieb weiterhin erfolglos und das Tageslicht reichte nicht mehr aus – ich entschied auch nachts zu arbeiten. Zwischenzeitlich hatte sich meine Lebensgefährtin dagegen ausgesprochen, auch nur ein wenig mehr, gemessen an der Situation, in der ich mich bereits befand, zu helfen. Meine Mutter, ich und eine neue Freundin des Hauses hatten bis dahin in wochenlanger Mühe damit zu tun, durch mittlerweile eingewachsene Frostruten die beschädigten oder abgefressenen Ruten bei allen Weinbergen zu ersetzen. Diese Arbeit war die Hölle und verbrauchte wahnsinnig viel Zeit! Freunde, die ich um Hilfe fragte, in nicht beständigen Arbeitsverhältnissen, Menschen, die mir zutiefst in Schuld standen, hatten lediglich den Rat, wo ich Hilfe gegen Geld bekomme – sich der eigenen Hände nie gewahr!

Ich wurde sturer, doch die langen Tage, die darauf folgenden Nächte und die Einsamkeit als auch die vielen komischen Insekten setzten mir sehr zu.

Es muss eine Nacht Mitte Juni gewesen sein, ich war gerade im Dunklen beim Heften in eine sehr große Distel gelaufen, bedankte mich für den starken Kaffee und wollte mich ein wenig im Elend ergießen, als hinter mir eine knurrige Stimme ertönte: »Langer, hör auf zu jammern, ich helfe dir jetzt, aber hör auf …« Ich drehte mich um und erkannte im Dunklen einen Typen mit kurzen Hosen, einem viel zu eleganten, weißen Hemd für das, was er vorhatte, und auf dem Kopf trug er die typische Kopfbedeckung der vietnamesischen Reisbauern. Sein Gesicht konnte ich nie sehen, das verbarg er mir mit dem Hut. Er war kein gesprächiger Typ, aber fleißig gelehrsam und geschickt. Mit Mühe konnte ich ihm seinen Namen oder ähnliches abringen, denn auf diese Frage hin knurrte er mich an und ich verstand lediglich: »Nenn mich den Preuß«. Das reichte mir, denn Konversation gab es recht wenig. Lediglich als ich mich wieder einmal über die vielen Insekten aufregen wollte, zischte er: »Du Depp, das ist der Ausdruck der Energie, die du suchst – deine Energie!«

Ab dem Moment, ich schwöre dir, Rudolf, konnte und durfte selbst die größte Spinne über meinen Körper laufen, ohne dass es mich im Geringsten störte. Überhaupt waren die Nächte voll von Insekten – ich möchte sagen Millionen von ihnen, überall wohin man griff. Im Vergleich zum Tage so vielseitig und vielfältig, dass ich mich in die Nächte verliebte, aber insbesondere deshalb, weil nur dann der Preuß kam und mir half – Nacht für Nacht. Ich wurde fast süchtig nach der Begegnung, dass ich sogar soziale Kontakte, wie Geburtstage, wie auf heißen Kohlen überstand. Hauptsache, ich könne danach wieder raus zum Preuß! Er war aber nie vor mir im Feld, sondern kam immer nach und auf meine Frage hin, ob er nicht morgen auch alleine könne, da ich verhindert sei, entgegnete er nur: »Murat, wenn dein Feuer nicht brennt, kümmere ich mich lieber um mein eigenes.« Das leuchtete mir ein. 

Mitte August, wir, der Preuß und ich, hatten notdürftig fertiggeheftet, Laub geschnitten hatten wir nur mit den Händen, indem wir alle Triebe einfach abbrachen, teilte ich ihm mit, ich müsse auf Messe nach Spanien. Er murmelte nur etwas vom eigenen Feuer oder so, in jedem Fall verschwand er und kam nicht wieder. Egal, was ich unternahm, er erschien einfach nicht mehr, bis eine Nacht in den Anfängen der Weinlese kam, ich jammerte gerade mal wieder über mein Schicksal, da knurrte mich von hinten einer an …

Dafür kamen endlich meine Schnecken und führten ein Leben pudelwohl, während mir gar nicht wohl wurde, kündigten sie doch feuchtes unbeständiges Wetter an. Sie blieben den ganzen August, jeden Tag, und um den 20. August kaufte ich mir aufgrund dessen eine kleine Kelter, denn ich erwartete viele kleine Partien. Die Schnecken wussten es …

Teschke Schnecke

Rudolf, es ist wahr, Wort für Wort! Ich habe noch gar nicht die unglaublich schönen und riesigen Spinnen erwähnt, die Kröte, die ich in der Dünnbach beim Ausbrechen unter einer alten Rebe herausholte und mich wieder so sehr geehrt fühlte, der Frosch der im hohen Gras bei der Ernte an uns vorbei sprang, um Insekten zu fangen, die vielen jungen Hasen, die sich bei mir bis Mitte Juli im hohen Gras verstecken durften und mit den Mäusen um die Wette sprangen, die tausend Käfer und Asseln, die im Weinbergspfahl wohnen, zusammen mit Ohrwurm und kleinen Spinnen, all diese Bewohner, die mich Jahr um Jahr zwischen 15.000 bis 20.000 Liter Wein kosten, damit ich sie genießen darf, die Vielfalt, die ich vom Boden essen kann, während es nebenan nur Gras gibt. Erwähnt habe ich auch nicht, dass wir bei der Lese in einem Weinberg in einem kniehohen Meer aus Rucola gewatet sind, die Luft erfüllt von Pfeffer, Zitrus und Würze. Von dem Phänomen, dass alle Sylvaner einen ganzen Monat im Wuchs zurückhielten, um nur auf mich zu warten, merkend dass ich keine Zeit für sie hatte, ganz zu schweigen.

Es war mein schwerstes Jahr, Rudolf, denn jede Traube ging über den Sortiertisch, es war unglaublich mühevoll, mein linkes Bein ziehe ich hinterher und meine Lebensgefährtin sagte, als sie noch mit mir sprach, was sie mittlerweile nicht mehr tut, ich habe wohl weniger als 10 Tage im letzten halben Jahr geschlafen. Ich bin jetzt sehr müde und auch demoralisiert, denn ich stehe mal wieder vor den Scherben, die meine einzigartige Idee hinterlässt …

Dabei benötige ich doch noch so viel Energie um vieles zum Guten zu wenden – ich wollte, es wäre Nacht und der Preuß käme – verzeih die Flecken auf dem Papier, ganz ohne Tränen geht es wohl nicht, wie so oft in diesem Jahr. Keine Ahnung, ob es Nelson damals ähnlich erging!

Lieber Rudolf, ich hoffe, du bist ein wenig stolz auf mich und was ich für ein Stück Frieden geschaffen habe auf meinen paar Hektaren. Einen Gefallen musst du mir bitte tun.

Falls du den Preuß kennst, sag ihm von mir, dass ich ihn gerne treffen mag, um ihm meinen Dank auszudrücken, für das, was er für mich tat. Wenn du andere kennst, die interessiert, was ich tue, besser unterlasse, schick sie zu mir.

Ohne Grenzen

Michel

Thiemo Kausch

Thiemo Kausch

Thiemo ist Chief Marketing Officer bei Lobenbergs GUTE WEINE. Doch auch außerhalb des Büros zählt Wein, neben Essen und Golf, zu seinen größten Leidenschaften. Ab und zu geht er zusammen mit Heiner Lobenberg auf Reisen, um mit Geschichten, Bildern und Videos für Shop und Magazin zurückzukommen.

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