Zwanzigjährigen Geburtstag feiert das Große Gewächs in diesem Jahr, und damit feiert die Weinwelt zwanzig Jahre trockenen Spitzenwein aus den besten Lagen Deutschlands. Quasi »Grand Cru aus deutschen Landen«. Diese Top-Weine kommen jährlich am ersten September auf den Markt, werden aber kurz davor einem ausgewählten Publikum vorgestellt und in diesem Jahr wird zusätzlich noch das große Jubiläum gefeiert. Aus diesem Anlass versammelt sich in Wiesbaden die Creme de la Creme der Weinbranche. Hochdekorierte Journalisten und Weinkritiker, neben Top-Sommeliers und internationalen Händlern. Für mich, der durch die Liebe zum deutschen Wein seinen Einstieg in die Weinwelt gefunden hat, ist es eine unvorstellbar große Ehre, dabei sein zu dürfen.
Die unglaubliche Erfolgsstory
Wer hätte vor zwanzig Jahren gedacht, dass ein trockener, deutscher Riesling oder Spätburgunder einmal zu den begehrtesten Weinen der Welt zählen würde? Oder gar mit den magischen 100 Parker-Punkten geadelt wird? Heute ist das so. Viele Weine sind weltweit so heiß umkämpft wie die rarsten Burgunder, dementsprechend auch deutlich überzeichnet. Dass sich diese Weine innerhalb so kurzer Zeit zu absoluten Ikonen entwickelt haben, ist sicherlich der Verdienst des VDP und dessen GG-Modells, dank dem diese großen, trockenen Weine nun auch ihre verdiente, internationale Aufmerksamkeit bekommen.
Der Grundstein für diese Erfolgsgeschichte wurde 1996/97 durch Gründung des »Comitée Erstes Gewächs« gelegt. Es war eine Taskforce von visionären Winzern aus der Pfalz, Rheinhessen und dem Rheingau, mit dem Ziel, den Charakter der besten Einzellagen herauszuarbeiten und ihn in ausdrucksstarke Weine von Weltklasse-Format zu verpacken. Die Qualität dieser Lagen war teilweise schon seit Jahrhunderten bekannt, nur eben kaum für trockene Weine, sondern eher für die fruchtsüßen Spezialitäten. Diese waren zu der Zeit aber weniger en vogue, während trockene Spitzenweine, insbesondere aus Frankreich, immer gefragter wurden. Allerdings waren die Voraussetzungen, auch in Deutschland im »trockenen Bereich« erfolgreich zu werden, nicht gerade die besten. Bis auf wenige Ausnahmen waren die Jahrgänge der 70er und 80er so schlecht, dass trockene Weine aus diesen Jahren keinen wirklichen Genuss darstellten. Doch die unermüdlichen Initiatoren, darunter auch der heutige VDP-Präsident Steffen Christmann, Ex-Präsident Michael Prinz zu Salm-Salm, Paul Fürst, Armin Diel und natürlich Bernhard Breuer, der geniale Terroir- und Einzellagen-Visionär, haben Vollgas gegeben und ein Klassifikationsmodell für den deutschen Grand Cru aufgestellt.
Im Jahr 2002 war es dann endlich soweit – erstmals präsentierten 78 VDP-Winzer ihre Großen Gewächse aus insgesamt rund 100 verschiedenen Lagen. Wer damals in Berlin im Publikum gesessen hat, muss sich ähnlich gefühlt haben wie die Zuschauer auf Steve Jobs legendärer iPhone-Premiere. In gewissermaßen ist das GG eigentlich auch so etwas wie das iPhone der deutschen Weinwelt – ein revolutionärer Meilenstein. Bis heute war es aber noch ein langer Weg der Entwicklung. Mitglieder kamen dazu, neue Große Lagen kristallisierten sich heraus, Stilistiken änderten sich. Zwanzig Jahre später stehen hier in Wiesbaden nun über 600 Weine an, der Durchschnittspreis ist von 16€ auf rund 40€ pro Flasche gewachsen. Neben Riesling auch Früh- und Spätburgunder, Weißburgunder, Grauburgunder, Chardonnay, Silvaner und Lemberger. Das Große Gewächs hat sich in zwanzig Jahren zur absoluten Weltklasse etabliert – wenn das mal kein Anlass zum Feiern ist!
Nach den einleitenden Worten von VDP-Chefin Theresa Olkus, gibt es einen perfekt produzierten Film zu sehen, der diese Erfolgsstory nochmals aufleben lässt – mit Kommentaren von ihren Wegbereitern, Größen der Weinwelt wie Hugh Johnson und Jancis Robinson. Für sein essentielles Mitwirken wird Bernhard Breuer postum die goldene Ehrennadel verliehen, die seine Tochter Theresa, zu Tränen gerührt, für ihn entgegennimmt. Im Anschluss dann die flüssige Zeitreise mit Großen Gewächsen von 2001 bis 2020. Besondere Highlights unter den Rieslingen sind Haags 2009er Juffer Sonnenuhr, Bürklins 2003er Jesuitengarten aus der Doppelmagnum, Scharzhofberger »P« 2016 von Van Volxem, Wittmanns Brunnenhäuschen 2007 und Christmanns Idig aus 2014. Bei den Spätburgundern begeistert Kuhns Kirschgarten aus 2008 mit beeindruckender Frische, Hegers Schlossberg aus 2009, Stoddens 2018er Herrenberg und ein monumentaler Fürst Hundsrück aus 2005. Auch wenn sich Stile über die Jahre vielleicht etwas geändert haben mögen – das war wieder einmal ein Beweis, auf welchem Top-Niveau sich die GGs schon seit Jahren befinden. Ein toller Auftakt, der jetzt richtig Lust auf den kommenden Jahrgang macht.
Highlights der Vorpremiere
Mein Kollege Elias hat in seinem Reisebericht schon ausführlich über den Jahrgang 2021 in Deutschland geschrieben, weshalb ich an der Stelle nicht mehr zu sehr ins Detail gehen möchte. Aber kurz zusammengefasst: Schaut man sich die Vorjahre 2018, -19, -20, und auch den kommenden Jahrgang 2022 an, fällt 2021 in dieser Strecke warmer Jahrgänge sicher raus. Es ist ein Jahrgang, den man wegen seiner Feinheit jetzt als klassisch bezeichnen könnte, aber was ist heutzutage noch klassisch? An die vergangenen, teils unreifen 80er Jahre erinnert er ebenso wenig, wie an die heißen Vorjahre. Es ist quasi ein Zwischending, denn 2021 besticht eben nicht durch eindrucksvoll üppige Weine, sondern vielmehr durch spielerische Finesse. Insgesamt sind die Weine spannungsgeladen und voller Energie, vielleicht etwas wilder und extremer als in den Vorjahren, strengen dabei aber trotzdem nicht an. Das ist schon ziemlich genial, dafür schätze ich diesen Jahrgang sehr und wir sind uns hier alle einig, dass das vielleicht das aufregendste und spannendste Jahr seit langem ist.
Start an der Nahe
Ich starte mit der Nahe, die grundsätzlich schon eine meiner persönlichen Lieblingsregionen ist. Das Bockenauer Felseneck zählt in fast jedem Jahr zu meinen Lieblings-GGs und in 2021 hat Tim Fröhlich sich mit diesem Meisterwerk selbst übertroffen. In gewisser Weise ein Extremist mit dieser reduktiven Nase und dieser immensen Mineralität, aber dabei messerscharf und präzise. So lang und steinig, das wird nur getoppt vom hauseigenen FINAL, dem besten Fass aus dieser Lage, das Tim Fröhlich in diesem Jahr erstmals versteigern wird. Dieser monumentale Riesling hat definitiv die Anlagen ein neuer Icon-Wine á la Keller G-Max zu werden. Wow! Ganz anders, aber auf ähnlichem Level wie das Felseneck, sehe ich Schönlebers Halenberg und Dönnhoffs Dellchen, alles potenzielle 100-Punkte-Weine. Dönnhoff legt mit dem Brücke Versteigerungs-GG noch einen drauf – das ist für Dönnhoff wirklich ungewöhnlich karg, intensiv, enorm pikant und zupackend. Nur knapp dahinter und für mich etwas überraschend, das Mühlenberg im Höllenpfad GG, was mir noch nie so gut gefallen hat wie jetzt in 2021. Ebenfalls überrascht hat mich Gut Hermannsbergs Felsenberg, der Tim Fröhlichs Wein aus der Lage noch nie so ähnlich war. Ist die Nahe die Region des Jahres? Im Verhältnis zur Größe der Region, ist die Dichte an absoluten Top-Produzenten hier aber auch einfach wirklich hoch. Die Messlatte hängt jetzt jedenfalls ziemlich hoch.
»Nahe, die Region des Jahres?«
Die besten Kollektionen an der Nahe stellen für mich zwei Weingüter: Schäfer-Fröhlich und Dönnhoff. Ich vergebe glatte 100 Punkte für den hochintensiv-mineralischen Überflieger Felseneck. Das beste Fass FINAL hat noch mehr Reduktion und ist minimal feiner, man muss hier die 100+ zücken – einer der größten trockenen Rieslinge der Neuzeit. Frühlingsplätzchen und Stromberg jeweils mit 98+, 97 Punkte für Halenberg und Kupfergrube, 96+ für Felsenberg. Wirklich gleichauf dann Dönnhoff auch mit 100+ für die Best-Ever-Brücke. Dann gleich zweimal 99 Punkte für Dellchen und Felsenberg, 98+ für die erhabene Hermannshöhle, 97+ für Höllenpfad und Krötenpfuhl mit 96 Punkten. Dann kommt Gut Hermannsberg mit glatten 100 für das 2017er »late released« Hermannsberg GG – vibrierend und aufregend, auf den Spuren des genialen 16ers. Großer Wein! Auch zweimal 98+ für die Kupfergrube 2017 und Steinberg 2021. Danach, auch wegen weniger Weine, Schönleber mit dem 100-Punkte-Versteigerungswein »Auf der Ley«, mit 99+ für den superpikanten Powerwein Halenberg und 96 für das Frühlingsplätzchen. Etwas dahinter Diel mit dem genial verspielt-intensiven 98+ Pittermännchen.
Rheinhessen
Weiter geht’s in Rheinhessen, Deutschlands einstiger »Massenwein-Region«, wo mittlerweile die mitunter rarsten und begehrtesten Weine des Landes wachsen – ein Verdienst, den sich ganz sicher die qualitätsfanatischen VDP-Winzer zuschreiben können. Philipp Wittmann ist einer dieser Winzer und er präsentiert auch eine wirklich geniale Kollektion, von der mir das Kirchspiel in diesem Jahr besonders gut gefällt. Spannend ist auch der Vergleich beider Rothenberg GGs; Kühling-Gillots Wein ist wieder ein Monument – rauchig und mit dunkler Mineralität bis zum Abwinken, mystisch, unfassbar viel Power ohne Fett. Komplexität, Tiefe und Länge eines Bürklin Pechstein. Ein beeindruckender »Steinwein«. Daneben das filigranere GG von Gunderloch, sehr geschliffen und feinziseliert, ganz anders, aber auch stark. Bischels Heerkretz GG war für mich eine Premiere und hat mich auf Anhieb begeistert. Vielleicht weil es mit dieser vulkanischen Mineralität ein bisschen an die Nahe erinnert? Zwar 2020er, aber die GGs von Kai Schätzel kann ich nicht ohne Erwähnung stehen lassen. Das ist ziemlich sicher das Spannendste, was ich über alle Tage gesehen hier probiert habe. Reduktiv und oxidativ zugleich, eine ganz eigene, gänzlich neue Stilistik unter den großen Gewächsen. Pettenthal besticht durch seine Würze und Textur, ein avantgardistisches »Natural-GG« von enormer Größe. Ich bin mir sicher – unter allen gezeigten Weinen hier, würde man diesen am ehesten blind wiedererkennen. Hipping ist quasi der etwas kleinere Bruder, etwas weniger druckvoll, aber stilistisch ähnlich. Das schöne ist, dass der Ausbau hier zwar durchkommt, aber Terroirausdruck und Rebsorte, wie bei den besten Jura-Weinen, trotzdem klar definiert sind. Großes Kino!
»Rheinhessen 2021 = Superdefinition nebst schräger Power und Hypereleganz«
Hier standen neben 2021 auch einige 20er an. Die Rheinfront präsentiert sich super definiert und schräg zugleich. Kai Schätzels 20er Pettenthal war für mich mit 100 Punkten einer der zwei Winner on point, aber schräg und hochindividuell, das muss man schon mögen. Gleichauf, nur total präzise und definiert, sehe ich Kühling-Gillots Hipping ebenfalls mit glatten 100. Dann ein Superquartett, alle 99+: Rheinfront in Superdefinition mit Kühling-Gillots Pettenthal und Schätzels unikathaftem Hipping 2020, dann Einbruch in die Rheinfront mit Wittmanns Power-Morstein (sein Versteigerungswein »La Borne« ist ein Quäntchen feiner und harmonischer mit glatten 100) und H.O. Spaniers Zellerweg am Schwarzen Herrgott. 98 Punkte für Spaniers druckvollen Frauenberg, Wittmanns feinstes Brunnenhäuschen, Gunderlochs Pettenthal und Hipping, sowie Kühling-Gillots Rothenberg. 97+ für Wittmanns Kirchspiel und Spaniers Kirchenstück und Gunerlochs Rothenberg. Wagner-Stempel stellt nur knapp geschlagen mit 97 Heerkretz zusammen mit ebenfalls 97 Punkten für St. Antonys Pettenthal den ersten Verfolger vor Groebe.
Insgesamt eine extrem gut definierte Appellation mit der begeisternden Rheinfront in Bestform. Noch nie war dieser Berg – eigentlich sagen wir Bremer Deich dazu – so gut! Eindeutige Sieger gibt es aber kaum, Wittmann, Schätzel und Kühling-Gillot vielleicht ganz leicht vor Battenfeld-Spanier und Gunderloch. Und Keller fehlte, das hätte dann vielleicht zusammen zum Regionssieg gereicht? Wäre die Nahe nicht so extrem gut, hätte Rheinhessen eben auch vorne liegen können. Begeisternd!
Pfalz
Die Pfalz hat es in 2021 extrem gut getroffen. Wow, was hatten wir hier für druckvolle, konzentrierte und rassige Rieslinge im Glas! Nichts weichgespültes, keinerlei Pfälzer Barock, sondern eine ganze Reihe kompromissloser Terroirweine. Darunter die Kollektion der Rings Brüder mit einem genialen Debüt für den Annaberg, der hier erstmals und völlig zurecht als GG ansteht. Daneben der Saumagen mit gewohnt reduktiver, kalkig-salziger Kühle. Bürklin-Wolf präsentiert mit den dunklen, dicht verwobenen Grands Crus aus Pechstein und Ungeheuer zwei Evergreens, aber auch der Gaisböhl ist in 2021 auf absolutem Top-Niveau und für mich ganz weit vorne dabei. Ähnlich sieht es bei Christmanns Idig aus, dem in 2021 aber eine unfassbar präzise, rasiermesserscharfe Meerspinne ziemlich nah auf den Fersen ist. Großartig! In der Südpfalz gefällt mir neben Kastanienbusch und Ganz Horn auch das Schäwer GG von Rebholz sehr gut, das mit seiner feinduftigen Schieferwürze und profunden Kraft fast ein bisschen an Terrassenmosel erinnert. Erwähnenswert ist definitiv auch die enorm starke Kollektion von Dr. Wehrheim, die uns in 2021 erstmals so richtig geflasht hat.
»Ist in 2021 die in der Säure fast extreme Pfalz die neue Mosel? Und damit vielleicht auch Seriensieger?«
Die 2021er Pfälzer GGs scheinen enorm hoch in der Säure, es kommt alles viel extremer rüber als beispielsweise die ausgewogeneren, trotz hoher Säure balancierteren Weine der Nahe und Rheinhessens. Bürklins 100-Punkte-Pechstein ist dennoch ganz groß! Auch hohe Punkte für die anderen Bürklin GGs – 99+ für das Ungeheuer, 98 für Reiterpfad In der Hohl und Gaisböhl, sowie 97 Punkte für Hohenmorgen – das ist mehr als toll. Dann prescht Von Buhl mit 100 Punkten für sein 20er Kirchenstück einfach mal zwischen die ganzen 21er. Auch mit 97 für 20er Pechstein und Reiterpfad und 96 für Kieselberg punktet Von Buhl wirklich groß! Christmann packt echte Belege ins Glas, mit 100 Punkten für den extrem stimmigen, sich selbst treu seienden Idig und der mit 97+ bewerteten, kristallinen Meerspinne. Zudem 96 Punkte für den Vogelsang. Bassermann-Jordan präsentiert sich auch ganz superb, hätte ich mit Von Winning, Von Buhl und Bürklin nicht schon drei Traumbetriebe mit Forster Lagen, müsste Bassermann sicher in unser Portfolio. Rebholz aus der Südpfalz zeigt dann den sagenhaften Kastanienbusch mit glatten 100 Punkten und dazu noch 99 Punkte für Im Sonnenschein, damit vor Ganz Horn mit 97er Wertung. Best ever hier am Start? Rebholz ist wirklich super! Aus der Nordpfalz kommen mit Rings 100 Punkte für den Saumagen, damit leicht vor Nachbar Philipp Kuhn mit 99 Punkten – zwei Highflyer vom Kalkstein. Rings ergänzt mit 97 Punkten für Annaberg, Kuhn mit 97 für den Steinbuckel und Schwarzer Herrgott mit 96 Punkten. Dazu sein 100 Punkte Versteigerungswein, der extrem mineralisch-kristalline, salzige Philippsbrunnen vom Donnersberg. Müller-Catoir zeigt einen verlässlich großen 98 Punkte Bürgergarten. Sehr gut noch in 2021 sind die Weingüter Dr. Wehrheim und Acham-Magin!
So, nach der moselanisch sauren Pfalz stellen sich erste Säurebläschen ein. Pause! Vor der echten Mosel morgen eine Nacht Erholung bitte! Keinen Riesling heute am Abend, besser salbenden, säurearmen Chardonnay. Fazit ist, dass in der Pfalz nicht mehr nur die Mittelhaardt mit den grandiosen Betrieben Bürklin-Wolf, Von Winning, Von Buhl und Christmann nebst Müller-Catoir und Odinstal die alleinige Spitze stellen – die Südpfalz mit Rebholz und die Nordpfalz mit Rings und Kuhn sind auch Weltklasse. Im trockenen Riesling von Weltklasse ist das sicher die grandioseste Region Deutschlands. Ganz sicher in der Spitze nicht besser als die Nahe und Rheinhessen, aber einfach mehr Betriebe in der Weltliga.
Mosel
Da ich Elias im April auf seiner Mosel-Saar-Ruwer-Woche begleitet und dort schon einige der hier gezeigten Weine verkostet hatte, war ich nun besonders gespannt, wie sich diese jetzt zeigen werden. Mein persönliches Highlight ist die Kollektion von Clemens Busch, die die verschiedenen Terroirs der Marienburg perfekt abbildet, mit dem GG von den Fahrlay Terrassen an der Spitze. An der Saar ist es Van Volxems Scharzhofberg, der mich flasht. Ich lege mich fest und sage, das ist mit der beste trockene Scharzhofberger, den ich je im Glas hatte. Qualitativ auf dem Level des großen 2016er »P«, den es in 2021 nicht gibt, denn die Fässer sind in das reguläre Scharzhofberger GG geflossen. Kommentar von Elias war, wenn Egon Müller ein GG machen würde, wäre das vielleicht nicht unähnlich in seiner so typischen Scharzhof-Mineralität. An der Ruwer brilliert Grünhaus mit seinem tänzelnden Abtsberg, ein schwereloses und doch vibrierendes Großes Gewächs mit viel Schub.
»Leichtfüßige Mosel«
Die Mosel kommt restsüß, sensationell verspielt und frisch daher. Ein absolutes Traumjahr für die Prädikate, besonders für Spätlesen! Trockene GGs sind zwar auch spielerisch fein, aber im direkten Vergleich mit der Nahe oder Rheinhessen doch sehr leicht und filigran. Wer bei einem GG auch eine gewisse Power und Druck und spannungsvolle Pikanz erwartet, sollte 2021 in eine andere Region wechseln. Wer Leichtfüßigkeit, alkoholarme Finesse und Spiel erwartet, ist an Mosel, Saar und Ruwer perfekt aufgestellt.
Haags Paulinshofberg mit 97 Punkten, Loosens Johannisbrünnchen, Clemens Busch Fahrlay und Rothenpfad, Grünhaus Abtsberg und Volxems Scharzhofberg sind zusammen mit Löwensteins Röttgen die gehaltvollsten Weine mit einer gewissen Wucht und druckvollen Spannung mit 95 bis 96 Punkten. Oliver und Thomas Haags (Fritz Haag und Schloss Lieser) Juffer Sonnenuhr, Liesers Goldtröpfchen, Loosens Himmelreich, Treppchen und Würzgarten sind nebst Clemens Buschs Marienburg und Löwensteins Roth Lay sämtlich mit 94 Punkten die besten Vertreter der feineren Linie.
Rheingau, Württemberg und Franken
Im Rheingau ist es wieder einmal Weils Gräfenberg, der die anderen GGs aus 2021 überschattet. Ein fester, erhabener Wein, überaus spannungsgeladen und kraftvoll. Ein genialer, zupackender, Gräfenberg mit ungeheurer Tiefe und Präzision. Ein Langstreckenläufer. Aus 2020 haben wir hier natürlich die genialen GGs von Kühn, von denen mir aktuell Sankt Nikolaus am besten gefällt. In Württemberg haben wir mit Aldinger und Haidle einen spannenden Direktvergleich zweier Pulvermächer aus 2020. Die Lage auf zwei sehr unterschiedliche Arten interpretiert, aber die kühle, straffe, mineralisch-zupackende Art haben beide in sich. In Franken beweist Fürst mit seinem Riesling aus dem Centgrafenberg erneut, dass er eben nicht nur ein grandioser Burgunderwinzer ist.
Alles außer Riesling
Zu guter Letzt noch einige Highlights fernab von Riesling. Fürst liefert hier, mit einem Weltklasse-Hundsrück an der Spitze, wirklich große Weine aus 2020 ab. In der Pfalz sind es die Pinots von Rings und Christmann, die dafür sorgen, dass die Region für mich immer häufiger eine Burgund-Alternative ist. Aber auch Kuhns 2020er Pinot Blanc aus dem Kirschgarten begeistert mit burgundischer Finesse. Mit Johannes Jülg hat der VDP Pfalz zudem noch weiteren Zuwachs im Top-Segment erhalten. Stark! Die Chardonnay- und Spätburgunder-GGs von Julian Huber sind absolut große Ikonen, die trotz strenger Zuteilung aber leider unfassbar schnell ausverkauft waren. Huber dicht auf den Fersen sind aber ganz sicher Friedrich Keller, Heger und Salwey, die hier alle drei extrem feine Kollektionen anstellen.
»Meine roten Highlights«
Es verwundert nicht sehr, wer auf den vorderen Plätzen liegt. Hubers Wildenstein ist mit 99 Punkten nur ganz knapp vor Fürsts Schlossberg mit 98 Punkten. Dann Hubers Schlossberg mit 97+ Wertung, gleichauf mit Hundsrück und Idig, der für mich erstmals die Weltklasse erreicht hat. Ebenfalls 97+ Punkte für Beckers KB und SP aus 2019, Rings Felsenberg, sowie Kellers Steinriese und Schlossberg und Hegers Rappenecker. Dann folgen glatte 97 Punkte für Hubers Alte Burg, Hegers Schlossberg, H.O. Spaniers Kirchenstück, Rings Saumagen und Kesselers grandiosen Höllenberg. Insgesamt sehr schöne und stimmige Weine!
FAZIT
Nach drei Tagen Intensiv-Verkostung sind das ganz schön viele Eindrücke, die man erstmal verarbeiten muss. Aber was soll ich sagen? Ich liebe 2021! Ja, die Säuren sind hoch, aber sie stehen nicht allein dort, sie dominieren die Weine nicht. Hohe Extrakte wirken wie ein Puffer und sorgen für Balance in den Großen Gewächsen. Zusammenfassend haben die 21er GGs alles, was ein echter Rieslingfreak sucht: Mineralität, Säure, Komplexität, Frische, Textur, Länge und auch eine gewisse Frucht. Ich vermute, 2021 wird als einer der kontroversesten Jahrgänge in die Geschichte eingehen. Und ähnlich wie vielleicht 2008, 2010 oder 2013, werden die meisten von uns in 10 Jahren bereuen, sich nicht mehr Flaschen von diesen Meisterwerken in den Keller gelegt zu haben. Danke an den VDP, der diese top organisierte Verkostung Jahr für Jahr möglich macht. Und Prost auf weitere Zwanzig und mehr Jahre Grands Crus aus deutschen Landen.