Trentino und Südtirol sind Italiens Quelle für Weltklasse-Weißweine. Aber alpine Rotweine sind ihr Ass im Ärmel und ebenfalls eine Entdeckung wert.
Beide Provinzen gehörten vom Beginn des 19. Jahrhunderts an bis zum Ende des ersten Weltkrieges zu Österreich. Der Unterschied liegt darin, dass Südtirols Bozen seit dem Mittelalter der südlichste Teil von Österreichs Tirol war. Das Trentino hingegen wurde von Fürstbischöfen regiert, bis es im 19. Jahrhundert dann offiziell an Tirol angehängt wurde. Was beide Provinzen vereint, ist die Liebe zum Wein, die schon auf die Zeit vor dem Römischen Reich zurückzuführen ist. Trotzdem hat die Weinkultur hier mehr mit der Österreichs und Deutschlands gemeinsam als mit der des südlichen Italien: Vorzeige-weine sind meist knackige weiße, oft aromatische Rebsorten.
Beide Provinzen sind sich landschaftlich ähnlich – die Adige fließt von den Schweizer Alpen aus auf ihrem Weg zur Adria durch Bozen, Trento und Verona. Und das Adige-Tal ist mit dem Brennerpass Bindeglied zwischen Italien und Österreich.
Für einen Besuch der Region ist der Frühsommer wohl die beste Zeit, außer Sie sind begeisterter Skifahrer. Gondeln, die im Winter vollgepackt sind, bringen dann im Vergleich nur relativ wenige Wanderer hinauf in die Berge nach St. Ulrich oder Wolkenstein. Das Trentino und Südtirol sind auch supergut für den Weintourismus ausgestattet. So gibt es hier die gut ausgeschilderte »Strada del Vino« (Weinstraße) von Salorno bis Bolzano, die durch wunderschöne Dörfer wie Magré, Tramin, Caldaro und viele andere führt.
In der dünnen Bergluft des nördlichen Südtirols – Italiens alpine Weinregion – hallt das Echo der Kuhglocken.
Es sieht hier so aus, als ob sich Reben, die hier in 200 bis 1000 Metern Höhe angebaut werden, förmlich an die kargen, steinigen Dolomiten-Vorgebirge klammern.
Je weiter man in die Höhe steigt, desto kühler wird das Klima. Um die Mittagszeit kommt meist eine Brise (Ora) vom Gardasee das Tal herauf, während nachts die kühle Bergluft von den Alpen die Berge hinabgleitet. Meist sind die Reben im Pergola-System angebaut – das sieht im Sommer aus wie ein Treppenhaus aus grünen Blättern, wobei die Trauben auf Holzgestellen über Kopf wachsen.
Die fruchtbaren und im Sommer auch häufig außerordentlich warmen Tallagen der Region sind für gut 10 Prozent der gesamten Europäischen Apfelproduktion verantwortlich, also wird Wein wirklich nur da angebaut, wo die Reben herausgefordert werden – je karger der Boden, desto besser die Traubenqualität, meist wachsen sie auf Kies- und Geröllböden. Wie bereits erwähnt hat Südtirol im Sommer immer kühle Nachttemperaturen, was ganz hervorragend ist für die Produktion finessenreicher Weißweine. Daher ist die Provinz eben auch berühmt für frische, präzise, sortenreine Weine zum Beispiel aus Riesling, Pinot Bianco, Müller-Thurgau, Chardonnay, Grauburgunder, Sauvignon Blanc und Kerner. Der beste Gewürztraminer kommt auch von hier, genau gesagt aus Tramin (auf italienisch Termeno), von wo tatsächlich auch der Name der Traube stammt.
Terlan hat eine lange Tradition für Weißwein Cuvées aus Chardonnay, Weißburgunder und Sauvignon Blanc.
Hier ist auch eine der angesehensten Genossenschaften Italiens zu Hause, die Cantina Terlan, die zugleich ganz ohne Frage zu den besten Produzenten der Region und sogar ganz Italiens gehört. Übrigens werden mehr als drei Viertel der gesamten Weinproduktion in Südtirol von wirklich außergewöhnlich kompetenten Genossenschaften hergestellt, daher sind auch die Qualitätsstandards der Region so hoch. Obwohl es hier keine DOCG gibt, sind 99 % der gesamten Weinproduktion von DOC-Qualität. Das ist mit Abstand der höchste Prozentsatz aller italienischen Weinregionen. Dennoch hat Südtirol wegen des hohen Anteils an Genossenschaften – zu Unrecht – in manchen Köpfen noch den Ruf niedrigerer Weinqualität. Man darf daher den Hintergrund der hiesigen Genossenschaften nicht vergessen. Meist kamen die nämlich nicht erst durch Regierungssubventionen in den 1960ern und 70ern zustande, als viel Masse statt Qualität produziert wurde, sondern sie wurden schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch viele kleine private Weingärtner ins Leben gerufen. Die Traubenqualität dieser Weinbauern ist generell sehr hoch, und somit zählen viele Genossenschaften tatsächlich zu den besten Weingütern Italiens.
Trotz des Trends, dass in den letzten Jahren mehr und mehr Weißwein angebaut wird, sind Sie nun vielleicht überrascht zu lesen, dass mengenmäßig sowohl im Trentino als auch in Südtirol mehr Rotwein als Weißwein hergestellt wird. Mehr als 50 Prozent aller Weinberge in Südtirol sind mit der leichten Schiava (Vernatsch oder auch Trollinger) bepflanzt. Es gibt ein paar wenige junge Winzer, die daraus interessante Weine machen, aber meist ergibt sie einfachen Wein und daher verliert die Sorte mehr und mehr an Rebfläche an Pinot Nero (Pinot Noir). Die rote Lagrein-Rebe kommt eigentlich ursprünglich aus dem Trentino, aber der feinste Lagrein wächst in Gries auf flacheren, niedriger gelegenen Weinbergen direkt bei Bozen in Südtirol. Der häufig fast undurchsichtige, dunkel-violette Teroldego Rotaliano hingegen kommt von einer der wenigen felsengesäumten Tallagen im Norden des südlichen Trentino, die auch Rotaliano heißt. Das Kennzeichen des Teroldego sind eine saftige Säure und Noten bitterer Kräuter, die ihn damit unverwechselbar italienisch erscheinen lassen.
Die unangefochtene Königin des Teroldego ist Elisabetta Foradori, die mit naturnahem Anbau und Ausbau in Amphoren Weine von hoher Komplexität erzeugt. Das Trentino ist nach Franciacorta und Prosecco, wenn auch mit einigem Abstand, drittgrößter Schaumweinproduzent in Italien. Chardonnay und Pinot Noir sind dafür die Hauptrebsorten, und sie werden ganz nach dem Vorbild der Champagne mit traditioneller Flaschengärung hergestellt. Vom Stil her sind sie meist knackig, trocken und erfrischend.