Das Weingut San Polino ist ein absolutes Juwel, südöstlich des pittoresken Städtchens Montalcino auf über 400 Höhenmetern gelegen und von Wald und unberührter Natur umgeben. Der riesige, über 1.700 Meter hohe Vulkan Monte Amiata ist in der Ferne zu sehen. Die Bedingungen könnten nicht perfekter für den Weinbau sein. Im Sommer kühlen leichte Mittelmeerbrisen die Gegend. Beim letzten Vulkanausbruch vor über 180.000 Jahren wurde der Boden aus Galestro geformt – komprimierter Ton mit Quarz und Lava – dazwischen sind komplexe Urmeer-Ablagerungen zu finden, und diese wunderschönen Fossilien schmücken den Verkostungsraum. Die acht Hektar Weinberge sind auf drei verschiedene Parzellen verteilt. Der Großteil liegt auf luftigen 450 Höhenmetern, direkt beim Weingut.
Die britische Winzerin Katia Nussbaum gründete das Weingut bereits 1991 gemeinsam mit ihrem Mann Luigi Fabbro. Katia hat eine besondere Aura. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass sie in den Bioanbau vernarrt ist und eine Diskussion mit ihr darüber taucht schnell in beinahe magische Sphären ab. »Wir sind mit der Natur verwachsen, kein eigener Teil. Pilzsporen – Glomeromycota – im Boden bilden eine wichtige Symbiose mit Reben und auch die Energie der Menschen, die nicht nur die Weinberge bearbeiten, sondern die Weine auch beim Ausbau begleiten, spielt eine unsagbar wichtige Rolle.«
Luigi and Katia Fabbro have created a tiny nirvana for the production of Brunello di Montalcino on this estate. Their Brunellos have an incredible clarity and pureness of fruit that is unequaled in the region.
– James Suckling
»Viti-forestry« – also Rebbau in Einklang mit der Natur und von Wald umgeben – ist neben Biodiversität für den Familienbetrieb ein enorm wichtiges Thema. Hier war von Anfang an kompromissloser Bio-Anbau angesagt und Chemie aus der Packung schon immer komplett undenkbar. 1994 wurde das Weingut offiziell Bio-zertifiziert und seit 2001 ist es biologisch-dynamisch zertifiziert. Der eigene Kompost aus Traubenschalen und Tiermist wird jedes Jahr sorgfältig zwischen den Reben verteilt. Zudem werden zwischen den Reihen Blumen gepflanzt, um dem Boden ausreichend Stickstoff und Nährstoffe zuzuführen.
Katia kam durch ihren Ehemann nach Montalcino und heute macht sie die Weine gemeinsam mit ihm und ihrem Sohn Dan, der ins Weingut eingestiegen ist. Sein eigenes Projekt ist die ein Hektar große Brunello-Lage, die 2018 neu bepflanzt wurde. The future is bright!
Alle Weine werden spontan mit wilden Hefen aus Weinberg und Keller vergoren. Der Ausbau erfolgt hauptsächlich in großen Holzfässern, gebrauchten Barriques und 500 Liter Fässern. Sie sollen keinen Geschmack abgeben, sondern positiv zur Textur der Weine beitragen. Vor der Abfüllung werden alle Fässer mehrmals von der Familie gemeinsam verkostet, bevor der endgültige Blend entschieden wird. Schwefel wird minimal und nur einmal bei der Abfüllung zugegeben.
San Polino bringt einige der dichtesten und konzentriertesten Brunello auf die Flasche. Dabei sind sie nie schwer, sondern unglaublich vielschichtig und immer verführerisch duftig. Die Tannine sind strukturiert aufgebaut und präsent, aber sie trocknen nicht aus. Für mich sind San Polino-Weine der Inbegriff von dunkler Kirschfrucht, mit großer Struktur und zugleich beispielloser Finesse und Saftigkeit. Sie vibrieren und begeistern mich jedes Mal aufs Neue.
Die Einzellage »Helichrysum« ist nach einer Strohblume benannt, die dort vorkommt. Im Sommer riecht sie nach frischem Sellerie und Fenchel und nach Regen nimmt die Luft nahe der Blumen einen karamellartigen Duft an. Die Lage gehört fest zu James Sucklings persönlichen Favoriten für Brunello di Montalcino, die er 2010 mit perfekten 100 Punkten bewertete.
Das kleine Familienunternehmen macht überschaubare 30.000 Flaschen im Jahr – kein Wunder also, dass sie immer schnell vergriffen sind.
Ein Treffen mit Winzerin Katia Nussbaum ist zugleich immer auch eine philosophische Begegnung. Auf ihrem Weingut San Polino im Südosten Montalcinos gibt es keinen Stillstand und der Familienbetrieb verfolgt unerlässlich eine ganzheitliche Herangehensweise. Es wird immer weiter geforscht und experimentiert. »Viti-Forestry«, also der Anbau von Weinbergen, die harmonisch im Einklang mit dem umliegenden Wald sind, lag Katia schon immer am Herzen. 2023 wurde zusätzlich zur gegenüberliegenden Lage Helichrysum eine kleine historische Parzelle direkt beim Weingut neu bepflanzt, die zuletzt vor über 50 Jahren mit Reben bestockt gewesen war. Zwischen den Reben wurden in regelmäßigen Abständen Ahornbäume gepflanzt und nun wird von Forschungsteams verschiedener Universitäten ergründet, wie diese Bäume die mikrobielle Vielfalt im Boden beeinflussen. Katias jüngster Sohn Giulio forscht zudem daran, wie nachhaltige Landwirtschaft dabei helfen kann, die aufgrund des Klimawandels auftretenden Risiken zu vermindern, hierfür ist er in weltweitem Kontakt mit Wissenschaftlern. »Global problems demand for global solutions.« Es ist klar, dass es nicht ausreichend ist, die Folgen des Klimawandels abzuwarten und erst dann darauf zu reagieren. Die Alternative zu immer mehr Pflanzenschutzbehandlungen in den Weinbergen ist es, aufgrund von Forschungsergebnissen natürliche Systeme zu entwickeln, die die Widerstandsfähigkeit der Reben präventiv erhöhen. Mittlerweile arbeitet das Weingut mit mehr Begrünung zwischen den Reben, darunter auch Kräuter, nützliche Blumen und Getreide, um den Wasserhaushalt der Weinberge zu kontrollieren und dem Boden zudem nötige Nährstoffe zuzuführen. In den letzten zehn Jahren wurde klar, dass das Wetter immer unvorhersehbarer wird. Man kann selbst hier in der Toskana nicht unbedingt davon ausgehen, dass der Sommer sehr heiß und trocken wird. Bei San Polino werden daher je nach Bedarf lieber mehrere Durchgänge durch die Reben gemacht, um auf die Wetterbedingungen des jeweiligen Jahrgangs entsprechend zu reagieren und beispielsweise Blätter zu entfernen, um, wenn nötig, für bessere Durchlüftung zu sorgen. Das Weingut konnte von 2019 bis 2022 eine gute Erntemenge erzielen. Allerdings wurde 2023 so stark ausgelesen und selektiert, dass mit circa 15–20.000 Flaschen Brunello di Montalcino nur die Hälfte der sonst üblichen Anzahl an Flaschen erzeugt wurde.