Das schönste Weingut der Welt zu benennen ist beinahe unmöglich. Aber das atemberaubend schöne in Montalcino in der Provinz Siena gelegene Weingut Le Ragnaie gehört mit Sicherheit zu den traumhaftesten Plätzen der Welt.
Riccardo und Jennifer Campinoti machten ihren Wunschtraum wahr, als sie das Weingut Anfang des Jahrhunderts erstanden. Zum Besitz gehören insgesamt 28 Hektar Land, 23 davon sind mit Reben bestockt und auf fünf weiteren Hektar stehen alte, knorrige Olivenbäume. Alles wird aus Überzeugung seit jeher kompromisslos biologisch bearbeitet. Im Herbst wird zwischen den Rebzeilen eine Mischung aus Kräutern, Klee und Gemüse gepflanzt, sowohl um den Boden mit Nährstoffen zu versorgen, als auch um ihn durch das Wachstum der Wurzeln aufzulockern. Die Grünpflanzen verhindern zudem während der feuchten Wintermonate die Bodenerosion der Weinberge und tragen zur Bildung einer wichtigen Humusschicht bei, die wiederum den Feuchtigkeitshaushalt des sehr mineralischen, kalkhaltigen Bodens der Gegend reguliert. Letztendlich tragen die Pflanzen zum vielfältigen und reichhaltigen Ökosystem des Weinguts bei, denn sie bieten vielen Insekten und Tieren ein Zuhause.
Die ausschließlich mit Sangiovese bestockten Weinberge des Weinguts Le Ragnaie liegen in drei klar unterscheidbaren Mikroklimata von Montalcino. Riccardo verfolgt das »burgundische Prinzip«, und die Einzellagen-Weine des Weinguts sind tatsächlich einzigartig in ihrem jeweiligen Charakter. Riccardo arbeitet diese deutlichen Unterschiede faszinierend und beeindruckend in seinen Weinen heraus.
Le Ragnaie und Paso del Lume Spento sind Weinberge in Höhenlagen
Hier herrscht ein trockenes, kühleres Klima vor, zudem ist es windiger. Die Unterschiede zwischen Tages- und Nachttemperaturen sind größer, das führt zum langsamen, gleichmäßigen Ausreifen der Trauben. Die Lage Le Ragnaie ist übrigens nicht nur im Weingut, sondern in ganz Montalcino der am höchsten gelegene Weinberg. Sie befindet sich nur unweit der Stadt auf 600 Höhenmetern. Die Reben sind zum Teil über 40 Jahre alt und so wie auch die auf Sandsteinboden stehende Lage Petroso, die immerhin auf 400 Höhenmetern liegt, sind die Reben beinahe komplett von kühlendem Wald umgeben.
Passo del Lume Spento (...) has become a symbol of contemporary Brunello in which elevations matter more than ever as a tool against climate change.
– Monica Larner, The Wine Advocate
Loreto und Fornace sind Lagen im höher gelegenen Ortsteil von Castelnuovo
Die Lagen sind von warmen Tagen und kühleren Nächten geprägt. Sie liegen auf ungefähr 400 Höhenmetern und generell ist es etwas wärmer als in den Lagen Le Ragnaie und Paso del Lume Spento. Die Böden sind kalkhaltig und mit vielen kleinen Steinchen durchsetzt.
Cava ist der am niedrigsten gelegene Weinberg von Le Ragnaie
Die Lage ist in Cava Nuova und Cava Vecchia unterteilt und befindet sich direkt unterhalb des Ortes Castelnuovo dell’Abate auf 200 Höhenmetern. Hier haben wir Böden aus grau-braunem Ton auf kalkhaltigem Untergrund. Die Sommer sind heiß und trocken und bringen die »fruchtintensivsten« Trauben des Weinguts hervor. Die auf tonhaltigen Böden stehende Lage Cantina ist nur wenig höher, auf 250 Höhenmetern, gelegen.
Die Lage Montosoli im Norden Montalcinos liegt ideal auf 250 bis 300 Höhenmetern an einem kegelförmigen Hügel. Hier reifen die Trauben ebenmäßig auf einem Boden mit Meeressedimenten. Wenn man diesen Wein von Le Ragnaie mit dem intensiven, ultra konzentrierten Powerteil von Valdicava oder dem von Finesse geprägten Wein des Weinguts Altesino vergleicht, haben wir hier das Beste aus beiden Welten. Auf jeden Fall schafft der Brunello Montosoli von Le Ragnaie einen atemberaubenden Spannungsbogen aus verführerisch duftender Aromatik und ordentlich krassem Druck und Power im Mund – das ist Riccardos Geniestreich!
Der Name Ragnaie kommt übrigens von den Netzen, die früher in der Region an Bäumen befestigt wurden, um Vögel zu fangen. Montalcino war früher eine der ärmsten Gegenden der Toskana, und diese Vögel waren damals ein wichtiger Bestandteil der lokalen Küche.
Qualität spielt auf dem Weingut Le Ragnaie die erste Geige und deshalb wird schon bei der Lese streng selektiert. Nur absolut perfekte Trauben gelangen ins Fass.
Im Keller arbeitet Riccardo sorgfältig und sauber. Die Weine werden im Betontank vergoren, dabei wird in regelmäßigen Pump-Overs der gärende Wein über die Trester gepumpt, um die Farbe der Sangiovese-Trauben sanft zu extrahieren und den Trester feucht zu halten. Die Brunelli bleiben je nach Jahrgang zwischen 45 und 50 Tagen auf den Traubenschalen, Riccardo entscheidet jedes Jahr neu über die Zeitdauer des Vorgangs. 2015 dauerte die Mazeration sogar satte 90 Tage – das ist drei- bis viermal so lang wie es beispielsweise im Bordeaux üblich ist!
Nach der Gärung ziehen die Brunelli in zwischen 25 und 37 Hl fassende traditionelle Botti aus slowenischer Eiche um, hier reifen sie 36 Monate lang. Im Anschluss bekommen die Weine noch weitere zwei Monate Flaschenlager, bevor sie auf den Markt kommen.
Riccardo Campinoti arbeitet naturnah und biologisch, das heißt, dass ganz besonders in herausfordernden Jahrgängen wie 2023 extrem viele extra Arbeitsstunden von den Weinbergen »verschluckt« werden, um die großartige Traubenqualität zu erreichen, die er anstrebt. Die aus der peniblen Arbeit resultierenden kleineren Erträge werden dafür mit besonderer Qualität belohnt. Generell arbeitet Riccardo mit einer längeren Zeit auf der Maische als die meisten Weingüter in Montalcino, durchschnittlich sind es 40–45 Tage, dadurch werden Farbpigmente und Tannine langsam und dafür sanft extrahiert. Aber diese Arbeitsweise setzt eben besonders makelloses Traubenmaterial voraus. Die Fassprobe der saftigen und ultrafeinen 2020er Brunelli ist beeindruckend. Sie gehören definitiv zum feinsten Stoff aus Montalcino. In diesem wärmeren Jahrgang kommen die Vorzüge der Höhenlagen des Weinguts voll zum Zuge – Riccardo ist unter anderem mit seiner auf 620 Höhenmetern befindlichen Einzellage Vigna a del Lume Spento im Besitz der am höchsten gelegenen und kühlsten Lagen Montalcinos. Und wenn man meinen könnte, dass es garantiert nicht mehr besser geht, setzen die 2021er nochmal eins drauf, denn die Fässer der probierten 2021er Brunelli sind »out of this world« und sogar noch beeindruckender! Bei den jungen Weinen steigt geballte ätherische Power in Kombination mit dunkler Beerenfrucht aus dem Glas. Der Brunello V. V. hat bereits in diesem sehr jungen Stadium beinahe burgundische Züge – absolut umwerfend!