Neben der Erfindung der »Super-Tuscans« in Bolgheri zaubert die unglaublich vielfältige Region entlang der Mittelmeerküste unaufhörlich immer weitere Asse aus dem Ärmel.

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Im Überblick

Weinregion Maremma

Wo ist eigentlich die Maremma?

Die Maremma erstreckt sich von Livorno an der Mittelmeerküste über die Provinz Grosseto bis hin zur Argentario-Halbinsel, einschließlich der kleinen Insel Giglio im Süden und des nördlichen Teils der Region Latium. In ihrem Verlauf folgt sie damit der Küstenlinie. Das Gebiet der Maremma DOC weist aufgrund seiner Größe vielfältige geografische und geologische Gegebenheiten auf. Vom flachen, lehmhaltigen Küstengebiet über die Volsini-Bergkette mit ihren Tuff-Böden bis hin zum imposanten erloschenen Vulkan Monte Amiata etwas weiter im Landesinneren ist von allem etwas dabei.

Maremma

Die Geschichte der Maremma als Weinregion

Im historischen Bezug zur Weinproduktion ist die gesamte Region recht neu, denn ein Großteil der südlichen Maremma war ursprünglich ein regelrechter Sumpf, bis Mussolini ihn in den 1930er-Jahren trockenlegte, um die Problematik der durch die vielen Stechmücken entlang der Küste weitläufig verbreiteten Malaria in den Griff zu bekommen.

Dennoch ist die Maremma das Gebiet der Toskana, das in den letzten Jahrzehnten durch phänomenale Wein-Erfolge unglaublich viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen konnte – insbesondere um das im Norden gelegene kleine Dorf Bolgheri herum.

Deshalb stellen wir die Appellation Bolgheri mit ihrer separaten Regionsseite in ihr verdientes Scheinwerferlicht. Der Vollständigkeit wegen muss Bolgheri hier dennoch kurz erwähnt werden, denn den Startschuss für den Maremma Wein-Erfolg gab mit Sicherheit der Marchese Incisa della Rocchetta. Der begeisterte Liebhaber klassischer Bordelaiser Weine wurde zum Schöpfer des Sassicaia, als er 1944 einen Hektar Cabernet-Sauvignon-Reben anpflanzte, die er aus Ablegern der Rebstöcke des befreundeten Château Lafite Rothschild auf dem 3.000 Hektar großen Anwesen seiner Frau Marchesa Clarice della Gherardesca – einer Angehörigen des toskanischen Adels – gewonnen hatte. Da sich die della Gherardesca-Familie eigentlich auf Rennpferde konzentrierte – die übrigens bis heute eine große Rolle für sie spielen – waren diese Reben ursprünglich lediglich für den Eigenbedarf der Familie bestimmt. Aber als der erste Sassicaia dann einfach vollkommen außergewöhnlich und von herausragender Qualität war, holten sich die Neffen des Marchese, Piero und Lodovico Antinori, ein Urteil von Professor Emile Peynaud, der Önologen-Legende aus Bordeaux ein. The rest is history – mit dem 1968er-Jahrgang kam der Sassicaia zum ersten Mal offiziell auf den Markt, und es dauerte nur wenige Jahre, bis das Weingut auch schon Weltruhm erlangte. Antinoris Star-Önologe Giacomo Tachis war nicht nur maßgeblich für den Erfolg des Sassicaia verantwortlich, sondern wurde zum Vater aller Super-Tuscans. Wie viele andere dieser Super-Tuscans wurde übrigens auch der Sassicaia – obwohl er zu den teuersten Weinen Italiens zählte! – lange als IGT abgefüllt. 1994 wurde die Einzellage des Sassicaia dann ein eigenes Gebiet innerhalb der Bolgheri DOC, und 2013 bekam der Wein dann endlich seine eigene wohlverdiente DOC Bolgheri Sassicaia. Mehr Information über die Appellation Bolgheri findet sich wie gesagt in der Beschreibung der Unterregion Bolgheri.

Die Weinstile und Rebsorten der Maremma

In der Maremma gibt es so ziemlich jeden erdenklichen Weinstil. Aber über 75 Prozent aller Weine sind hier rot. Zu Beginn lag – von Bolgheri einmal abgesehen – der Fokus auf einheimischen italienischen Rebsorten wie Ansonica, Canaiolo, Sangiovese, Aleatico und Ciliegiolo, aber seit dem Ende des letzten Jahrhunderts hielten mehr und mehr französische Rebsorten Einzug. Heute werden die Rotweine hauptsächlich aus Bordeaux-Rebsorten und vor allem im südlichen Teil der Maremma aus einer Majorität Sangiovese hergestellt. Die Gegend um Scansano fokussiert sich zum Beispiel auf die Morellino, eine lokale Spielart der Sangiovese. Die Morellino di Scansano DOC verlangt mindestens 85 Prozent Sangiovese im Blend. Der Weinbau ist hier vermutlich auf die Etrusker zurückzuführen und damit wesentlich älter als in vielen anderen Orten der Maremma. Morellino di Scansano wird ungefähr 20 bis 30 Kilometer von der Mittelmeerküste entfernt, hauptsächlich in Hanglagen auf einer Höhe von bis zu 450 Metern, angebaut. Daher sind die Weinberge sowohl vor kalten Nordwinden geschützt als auch dem Frost im Frühling weniger ausgeliefert, denn kalte Luft sinkt bekanntlich nach unten. Le Pupille ist das Vorzeige-Weingut aus Scansano. Der Topwein Saffredi, ein Blend aus Cabernet Sauvignon und Merlot, gehört Jahr um Jahr zu den beeindruckendsten Bordeaux Blends Italiens und steht den nördlichen Nachbarn aus Bolgheri in nichts nach. Deshalb ziehen Investoren mehr und mehr in der südlichen Region nach. Bolgheri selbst ist mittlerweile schon vollständig ausgereizt – die besten Lagen sind bereits mit Reben bepflanzt.

Lese in Maremma

Bei den weißen Maremma Weinen ist Vermentino die wichtigste Rebsorte. In den letzten Jahren hat sich qualitativ auch hier viel bewegt und inzwischen kommen aus der Maremma auch mehr und mehr spannungsgeladene und individuelle Weißweine – die besten davon stammen aus den kühleren Lagen in Küstennähe.

The future is bright ...

Das große Potenzial der auf Sangiovese basierenden DOCG Rosso della Val di Cornia und des pittoresken Mittelalterstädtchens Suvereto, die sich unmittelbar südöstlich von Bolgheri befinden, wird immer deutlicher. Dabei ist Suvereto allein, was das komplexe Terroir angeht, ein unendlich spannender und vielschichtiger Ort. Hier gibt es über 30 Weingüter und Weinberge auf unterschiedlichsten Höhenlagen und Böden, darunter auch auf denen mit kühlerem Mikroklima. Das Weingut Tua Rita bringt hier seit Jahrzehnten Bordeaux Blends der ersten Liga hervor, die verlässlich jedes Jahr aufs Neue mit grandiosen Bewertungen der wichtigsten Weinkritiker belohnt werden, während Fabio Chiarelotto vom Weingut Montepeloso neben seinen ebenfalls großartigen, attraktiv frucht-intensiven Bordeaux Blends auch einen Fokus auf die Sangiovese legt. Kurzum: Es gibt zusätzlich zu scheinbar endlos vielfältigen Bodenzusammensetzungen und Höhenlagen auch noch eine vielschichtige Rebsorten-Welt und philosophische Ideologie der Weinbereitung. Diese Komplexität zu kommunizieren, bringt ihre eigene Herausforderung mit sich, und das »USP« von Suvereto ist – for better or worse – nicht ganz so leicht festzulegen wie das der Region Bolgheri. Gerade dieses Potenzial und die damit einhergehende passionierte Umsetzung der Visionen all dieser »Einzelkämpfer-Winzer« macht diese Region so spannend.

Trotz all dem Hype um die berühmten Namen der nördlichen Maremma gibt es gerade hier im Süden immer wieder neue aufregende Entdeckungen. Wer abseits der großen Güter mit offenem Gemüt Weine verkostet, wird gewiss mit der ein oder anderen Überraschung belohnt.