Das Weingut Isole e Olena gehört heute zu den absoluten Spitzen-Weingütern der Toskana. Isole e Olena sind zwei benachbarte, ungefähr einen Kilometer voneinander entfernte Weiler im wunderschönen Val d’Elsa, einem pittoresken Tal im Nordwesten der Chianti Classico DOCG, wo sich kleine Sträßchen verspielt durch die Wälder, Felder und zwischen Hügeln hindurch winden.
Isole e Olena war in der Vergangenheit ein Synonym für den großartigen Winzer Paolo de Marchi, der unter Kennern auch Mr. Sangiovese genannt wird, denn sein Geniestreich ist der großartige reinsortige Sangiovese Cepparello – aber dazu später mehr.
Vom Skepsis zum Erfolg: Paolos Weingut-Revolution
Paolo de Marchis elterliches Weingut wurde 1956 gegründet, nachdem Paolos Vater 1955 die beiden benachbarten Bauernhöfe gekauft hatte, die nach dem zweiten Weltkrieg verlassen wurden, weil es ihre damaligen Besitzer in Stadt zog, um dort ihr Auskommen zu verdienen. Ein Problem, wie es in vielen Teilen des ländlichen Italien dieser Zeit anzutreffen war. Paolos Vater renovierte das in die Jahre gekommene Anwesen.
Paolos Vater glaubte nicht daran, dass man mit einem Weingut auch Geld verdienen könnte, sondern es war eher eine »Geld schluckende Leidenschaft«. Daher riet er seinem Sohn, nicht zu viel Zeit, Fokus und Energie hineinzustecken und das Anwesen bei der nächsten Gelegenheit abzustoßen.
Qualität als Schlüssel zum Erfolg
Doch es kam alles anders, als der junge Paolo 1975 erstmals hinaus in die Welt zog. Auf seinen Reisen lernte er aufmerksam, wie die besten und erfolgreichsten Weingüter im kalifornischen Napa Valley arbeiteten und davon sogar sehr gut leben konnten. Qualität war der Schlüssel zum Erfolg.
Als er 1976 zurück nach Hause ins elterliche Weingut kam, musste buchstäblich alles verändert werden, denn Paolo wollte genau diese krasse Qualitätsschiene umsetzen. Er begann damit, seine alten Weinberge genau zu beobachten, und markierte die besten Reben, die dann wiederum in einer Selection Massale vermehrt wurden. Heute sind übrigens ungefähr 30 Prozent aller Sangiovese-Reben weltweit auf Isole e Olena oder Antinori zurückzuführen! Ab dem Ende der 1980er-Jahre wurden dann alle Reben des Isole-e-Olena-Anwesens sukzessiv komplett neu bepflanzt, und zwar in einer größeren Dichte als bisher – nämlich mit 6.000 bis 10.000 Stöcken pro Hektar. Weiße Rebsorten, die früher einen beachtlichen Anteil der Anpflanzungen ausmachten, da sie Teil der ursprünglichen Chianti-Rezeptur waren, wurden ebenfalls gegen neue Sangiovese-Pflanzungen ausgetauscht. Übrigens waren die früher in der Toskana typischen Terrassenlagen seit dem Zweiten Weltkrieg mehr und mehr zugunsten von Weinbergen, die – durch die Anpflanzung der Reihen am Hang von oben nach unten – mechanisch bepflanzt werden konnten, verschwunden. Paolo war schon immer ein Fan von Terrassenlagen gewesen und führte die durch Steinmauern aus den Weinbergen gebauten Lagen wieder ein.
Die Produktion bei Isole e Olena wurde halbiert, um weniger, aber qualitativ hochwertige Trauben einzubringen. Auch die alten Fässer mussten weg und wurden durch moderne Stahltanks und neues Eichenholz in unterschiedlichen Größen ersetzt. Eine Titanenarbeit!
So startete der junge Paolo de Marchi gemeinsam mit einigen anderen Winzern seiner Generation, die ebenfalls im Napa Valley gesehen hatten, was man mit Qualität erreichen konnte, die italienische Wein-Revolution. Einige davon kamen aus der Barolo-Region im Piemont, und auch Silvio Jermann aus dem Friaul gehörte zu diesen Visionären, die mit neu erlerntem Wissen und voller Leidenschaft wieder in ihre Heimat zurückkehrten. Damals waren die Toskana und Chianti in einem Dilemma, denn der Fokus lag auf billigem Tafelwein, der in mit Stroh umwickelte »Fiasko«-Flaschen abgefüllt wurde. Damals sorgte sich noch kaum jemand in ganz Italien darum, weinbautechnisch gute Arbeit in den Weinbergen zu betreiben, und hohe Erträge waren die Priorität.
Paolos Meisterwerk: Cepparello und die Neuausrichtung des toskanischen Weinbaus
Paolo de Marchis größter Stolz ist wie gesagt der Cepparello, ein 100-prozentiger Sangiovese, der in neuen ein- und zweijährigen Barriques ausgebaut wurde. Man sollte die großartige visionäre Leistung von Paolo de Marchi niemals vergessen, denn in den 1980er-Jahren war dieser Schritt wirklich revolutionär. Während viele Super-Tuscans aus französischem Rebmaterial, vor allem Cabernet Sauvignon, bestehen, haben Paolo und eine Handvoll anderer Winzer schon früh das einzig wahre Potenzial der Sangiovese erkannt. Die Vorgaben des Konsortiums erlaubten es damals nicht, einen Chianti Classico aus 100 Prozent aus Sangiovese zu keltern – sondern nach dem ursprünglichen Ricasoli-Rezept waren es damals maximal 65 Prozent, was die Pioniere allerdings nicht aufhielt. Die extreme Selektion führt in diesem Icon-Wine zum einen zu unglaublicher Konzentration und Komplexität, zum anderen zum nötigen Tannin-Gerüst. Cepparello ist immer der Inbegriff von Finesse, Feinheit und Komplexität, er geht stilistisch eher in die Richtung eines feinen Burgunders als in die eines druckvollen Weines mit krasser Fruchtkonzentration. Der 1978er Cepparello war der zweite reinsortige Sangiovese, der auf den Markt kam. Schon bald war dieser Wein Kult und er ist es bis heute geblieben. Der 1997er löste sogar eine regelrechte Euphorie aus, die man heute nachfühlen kann. Ein Ergebnis einer jahrelangen Arbeit des Konzipierens und Verbesserns.
Das Weingut Isole e Olena wurde aus Altersgründen im Juni 2022 an die französische EPI-Gruppe verkauft. Denn Paolos Sohn Luca hat sein eigenes Weingut, Proprieta Sperino, im Norden des Piemonts und konnte daher Isole e Olena nicht übernehmen. Neben einigen französischen Weingütern gehört unter anderem auch das Brunello-Weingut Biondi Santi zum Konzern, somit wurde Isole e Olena in vertrauensvolle Hände weitergegeben.
2022 war offiziell der letzte Jahrgang unter Paolos alleiniger Leitung, denn der neue Winzer Emanuele Reolon, der mit viel Respekt für den Pionier in dessen große Schuhe gestiegen ist, kam erst 2023 ins Team. Emanuele hatte sich zuvor bei einem benachbarten Weingut im selben Ort in der Region einen guten Namen gemacht. Nach dem Motto »If Barcelona calls you, you cannot say no« ging für Emanuele der Lebenstraum in Erfüllung, die Leitung von Isole e Olena zu übernehmen. Er liebte den magischen Ort, in dem Isole e Olena liegt, schon lange und möchte daher die Identität und Stilistik der Weine bewahren. Für den bescheidenen, charmanten Mann spielen die Trauben die Hauptrolle, nicht der Winzer. Seine ehrenvolle, neue Aufgabe bringt aber natürlich auch eine Menge Druck mit sich, der auf seinen Schultern lasten wird. Dass Paolos gesamtes Team von 25 Kollegen weiterhin sowohl im Keller als auch in den Weinbergen mit ihm zusammenarbeiten wird, ist eine enorme Hilfestellung. Zudem steht Paolo de Marchi auch weiterhin als Consultant mit Rat und Tat zur Seite.
Emanueles Vision für Isole e Olena ist es, Paolo de Marchis’ Erbe hier zu bewahren und das in den Weinen ausgedrückte Genie zu verewigen. Am eleganten, frischen Stil der Weine möchte er nichts ändern, denn er spiegelt das Terroir und das Mikroklima des Anwesens perfekt wider. Sein Anspruch sind dieselben hohen Qualitätskriterien sowie das Ziel, das Weingut durch Nachhaltigkeit und die Sorge für die Umwelt fit für die Zukunft zu machen.
Neues Kapitel: Emanuele und der erste Jahrgang im modernen Keller
Emanuele brachte seine erste Weinlese 2023 gemeinsam mit Paolo ein, bevor Paolo de Marchi Anfang 2024 ins Piemont zu seinem Sohn Luca zog. Der Jahrgang 2024 wird der erste im neu gebauten State-of-the-Art-Keller werden.
Heute gehören zum Weingut 56 Hektar Rebfläche inklusive einer 2,5 Hektar großen Lage, die im Mai 2024 gepflanzt wurde, 15 Hektar Olivenbäume und 220 Hektar Wald. Alle Reben sind übrigens vollständig von Wald umgeben und kommen daher mit denen der Nachbarn gar nicht in Berührung – perfekte Voraussetzungen also, um hier erfolgreich Bio-Anbau betreiben zu können. Das Weingut ist zwar nicht bio-zertifiziert, arbeitet aber meist sogar nach noch strengeren Regeln. Das Weingut hat 6 Wetterstationen im Weinberg, damit stehen die Reben immer unter Beobachtung, was sehr hilfreich ist, um dementsprechend und auf Fakten basierend richtige Entscheidungen treffen zu können.