Wenn über Superlativen im italienischen Weinbau geredet wird, kommt man nicht um die Maremma und insbesondere um die Weine aus Bolgheri herum.
Wenn über Superlativen im italienischen Weinbau geredet wird, kommt man nicht um die Maremma und insbesondere um die Weine aus Bolgheri herum. Eines der jüngsten Weinbaugebiete Italiens und trotzdem prägend für die Wende des internationalen Rufs italienischer Weine, Bolgheri ist eine Faszination für sich.
An der Strada Provinciale Bolgherese reihen sich einige der bekanntesten Weingüter Italiens aneinander, wie sonst wahrscheinlich nirgendwo im Land auf so engem Raum: Tenuta San Guido (Sassicaia), Ornellaia, Le Macchiole, Guado al Tasso, Angelo Gaja’s Ca‘ Marcanda, es geht Schlag auf Schlag, ein wenig als würde man auf der Königsallee Luxusboutiquen suchen. Besonders die Namen Sassicaia und Ornellaia sind international in aller Munde und das aus guten Gründen: Zuallererst ist die Qualität einfach umwerfend, die Weine gehören Jahr für Jahr zu den Besten Italiens. Der andere Grund ist, dass die Weingüter, insbesondere Tenuta San Guido, die den Kultwein Sassicaia herstellen, wie kaum andere an die Qualitätsoffensive des italienischen Weinbaus gekoppelt sind. In den 1960er Jahren waren italienische Weine noch als einfache Trinkweine verschrien, und die Gegend um Bolgheri war ein leerer Fleck auf der Weinkarte Italiens, aus ihren Trauben wurden maximal Weine für den eigenen Konsum hergestellt, das Land war einige Jahrzehnte zuvor noch Sumpfland. Freilich waren Brunello und Barolo international ein Begriff, aber der gesamte Ruf der italienischen Weine war ein eingestaubter, nicht besonders guter. Zahlreiche Skandale erschütterten die Weinbranche, Chianti wurde in Korbflaschen in Pizzerien ausgeschenkt und das war es dann auch. Vordenker wie Mario Incisa della Rocchetta, der Gründer der Tenuta San Guido, änderten das in den 80er Jahren. Das Bolgheri Gebiet war, ähnlich wie das nördliche Médoc im Bordelais, lange Zeit eine Sumpflandschaft, die nach und nach trockengelegt wurde. Im Médoc geschah dies allerdings hauptsächlich, um den Weinbau auszuweiten, in der Maremma, um die durch Stechmücken verbreitete Krankheit Malaria zurückzudrängen. Die Parallelen zum Médoc nahm Mario Incisa della Rocchetta 1944 zum Anlass, hier internationale Rebsorten anzupflanzen, die zu dem Zeitpunkt im konservativ denkenden Italien verschrien waren. Mit Cabernet Franc und Cabernet Sauvignon (angeblich aus den Reben von Château Latour entnommen) startete die Erfolgsgeschichte. Die Weine wurden zunächst nur für die eigene Familie produziert, nach und nach sprach sich allerdings der einzigartige Geschmack herum und so wurde Anfang der 70er Jahre der erste Sassicaia auf den Markt gebracht.
Obwohl viele Traditionalisten internationale Rebsorten ablehnten und zum Teil noch immer ablehnen, gibt der Erfolg Sassicaia Recht, mittlerweile hat das Weingut als einziges in Italien eine eigene DOC und auch Bolgheri Weine sind mittlerweile keine Tafelweine mehr, sondern haben eine eigene DOC.
Durch diesen Erfolg wurden auch andere nach Bolgheri gelockt und in ganz Italien begann eine Welle, in der auf qualitativ hochwertige Weine gesetzt wurde.
So viel zur Geschichte des Bolgheris, aber was macht die Region so besonders? Die vorher angeschnittene Ähnlichkeit zum Bordelais gilt nicht nur für die Geschichte des trockengelegten Sumpfgebiets, sondern auch für die Böden und gewisse Spielarten des Klimas. Die Böden sind sandig, mit Kieselsteinen, sowie Lehm- und Tonanteilen, ähnlich denen im Médoc, am ehesten mit denen des Pauillac zu vergleichen. Das Klima ist mediterran und wärmer als im Bordelais, die Nähe zum Meer und die umgebenden Wälder sorgen allerdings für etwas Abkühlung und so sind die Rebzeilen im Bolgheri nicht wie oft üblich in Richtung Süden ausgerichtet, sondern in Richtung Meer, damit die Brise vom Tyrrhenischen Meer die Trauben kühlt. Bolgheri, dessen Name vom wunderschönen Castello mit einer tausendjährigen Geschichte kommt, ist umgeben von wilder Natur, Wälder und Naturschutzgebiete bieten hier auch zahlreichen Tieren Platz und so sind Wildschweine und sogar Wölfe um die Weinberge nichts Seltenes. Die dichten Wälder sorgen dafür, dass es später warm und früher kühl wird und sich die Reben durch die hohen Tag/ Nacht Amplituden hervorragend erholen können. So bewahren die Beeren eine erfrischende Säure und die Fruchtaromen schmecken nicht zu marmeladig, außerdem muss im Vergleich zu anderen Regionen die so warm sind weniger gewässert werden. Wie beim Vorbild Bordeaux setzen die Bolgheri Winzer auf Dichtpflanzung und so müssen die Reben tief wurzeln, was den Trockenstress aber verringert, da in den tieferen Schichten Wasser- und Mineralstoffspeicher zu finden sind. Auch der Pilzdruck ist, obwohl das ehemalige Sumpfgebiet eigentlich recht feucht ist, durch die Meerbrise stark gesenkt. Die Weine aus Bolgheri sind keine klassischen Toskana Weine, aber auch kein Bordeaux Abklatsch und haben seit Jahren ihren eigenen Stil entwickelt. Dieser ist dicht, aber nicht so engstirnig und kompakt wie oft im Bordeaux, sondern etwas ausladender und weicher. Die Säure und Eleganz der Nachbarn aus Montalcino ist nicht in dem Ausmaß zu finden, trotzdem sind die Weine definitiv ernstzunehmende, große Weine mit enormen Alterungspotential. Keine reinen Fruchtbomben, keine Pizzaweine, sondern großer Stoff, der zurecht international gefragt ist.
Bolgheri Weine sind saftig, würzig und mit gesundem Tannin, oft aber so gut eingearbeitet, dass harmonische Gesamtpakete entstehen, die weltweit hervorstechen.
Selbstverständlich gibt es Hypes um viele Weine und so wurde der Wein aus Bolgheri anfangs als kurzer Erfolg abgestempelt, Hypes die über 30 Jahre andauern kann man aber getrost Dauerbrenner nennen und so haben sich die Weine aus Bolgheri längst in der weltweiten Spitze etabliert. Aus meinen Verkostungen kann ich die allgemeine Euphorie bestätigen, ich habe bisher keinen schlechten Bolgheri Wein verkostet, hier wird auf vielen Ebenen im Spitzensegment gearbeitet und durch gewisse Newcomer unter den Spitzen Weingütern wie beispielsweise dem ältesten Weingut der Gegend, Castello di Bolgheri, lassen sich auch immer wieder spannende Weine zu fairen Preisen finden. Forza Bolgheri, auf viele weitere erfolgreiche Jahrzehnte!