Der Ätna ist unglaublich spannend und faszinierend, wahrscheinlich ist er sogar die dynamischste Weinregion Europas. Dabei kam die unglaubliche Erfolgsgeschichte hier doch erst vor kurzem ins Rollen. Als Andrea Franchetti, der Star-Winzer hinter dem legendären, toskanischen Gut »Tenuta di Trinoro«, Anfang der 2000er zum ersten Mal in die Region kam, sah es dort noch ganz anders aus! Vulkanausbrüche hatten große Teile der Landschaft mit schwarzen Lava Massen bedeckt. Zwischendrin standen nicht nur verlassene Häuser, sondern auch Weinberge. Zum Teil über 80 Jahre alte Buschreben, die mitsamt ihres enormen Potenzials in Vergessenheit geraten waren.
Schwarze Lavabrocken, die Überbleibsel des großen Vulkanausbruchs von 1947, türmen sich bis knapp über dem Weingut Passopisciaro, das an einem steilen Berghang, auf ungefähr 1000 Höhenmetern gelegen ist. Es gehört schon unwahrscheinlich viel Optimismus, Mut oder vielleicht auch etwas Verrücktheit dazu, hier ernsthaft zu investieren. Getrieben von der Vision, Wein in noch höheren Lagen zu machen, verschlug es Andrea Franchetti letztendlich an den Ätna. Er kaufte verschiedene Lagen mit bis zu 80 Jahre alten Rebstöcken, baute sie wieder auf und pflanzte, wo es nötig war, auch neu. Nerello Mascalese ist die wichtigste Rebsorte des Weinguts, und aus den neun verschiedenen Weinen konzentrieren sich sechs auf sie. Passobianco wird aus 100 Prozent Chardonnay gemacht, die Reben stehen auf 850 bis 1000 Höhenmetern. Das Ergebnis ist Finesse und Präzision, jedoch werden unter den harschen Bedingungen nur geringe Erträge erzielt. »Franchetti« wird seit 2005 aus einem Blend aus Petit Verdot, und Cesanese d’Affile gemacht. Das ist hoch individueller Genuss – absolut mind-blowing und dabei so elegant. Mit diesem Wein hat sich Andrea Franchetti definitiv ein würdiges Denkmal gesetzt. Das ist ganz großes Kino auf Flaschen gefüllt.
Vom Jahrgang 2008 an wurden alle fünf Contrada Lagen separat ausgebaut und abgefüllt. Davor gingen alle Trauben in den Gutswein Passorosso. Die Lagen liegen alle getrennt voneinander. Jede der fünf Contradas, Contrada C, Contrada P, Contrada G, Contrada S, and Contrada R hat ihr eigenes Mikroklima, und eine ganz besondere Bodenbeschaffenheit. Die Lagen haben alle eine andere Lava-Zusammensetzung, jedes Terroir ist einzigartig.
Und das schmeckt man den Weinen an. Alle werden 18 Monate im Holz ausgebaut, aber nie neues. Die Frucht wird nie überlagert oder verdrängt, ist immer frisch und fein. Und es gibt nur sehr wenig, die Anbauflächen sind eher klein und es wird viel selektiert. Die Philosophie des Weinguts ist, ebenso wie die der Tenuta di Trinoro, extrem von Qualitätsstreben getrieben. Nur die besten Trauben schaffen es in die Auswahl. Am Anfang war Passopisciaro vielleicht noch ein Außenseiter aber heute kann man ohne Zweifel behaupten, dass es eines der qualitativ führenden Weingüter am Ätna ist. Andrea Franchetti war sicher auch einer der Pioniere, die den neuen Weg Siziliens mitbegründet haben.
Leider verstarb Andrea Franchetti im Dezember 2021. Er hinterlässt große Fußstapfen, in die sein eingespieltes Team mit großem Stolz und im Bewusstsein der Verantwortung tritt. Vincenzo Lo Mauro war von Anfang an, seit dem Jahr 2000, Chef-Önologe bei Passopisciaro. Schon seit jeher hat er Andreas Vision über den Ausbau der separaten Contrada Lagen am Ätna unterstützt. Nun führt er zusammen mit Andreas Söhnen Benjamin und Carlo die Geschicke des Weinguts in Andreas Sinne weiter.
Vincenzo Lo Mauro ist seit 2000, also seit Gründung des Weinguts, Önologe bei Passopisciaro. Der Kontakt zu Andrea Franchetti – der das verfallene Gebäude kaufte und wieder herrichtete – entstand damals durch Zufall, die Vorstellung der beiden erfolgte durch den gemeinsamen Zahnarzt! Über die Jahre hinweg entstand eine tiefe Freundschaft mit dem leider 2021 verstorbenen Visionär und die Erinnerung an ihn wird hier auf dem Weingut respektvoll und herzlich aufrecht erhalten.
Die Weinberge werden nur natürlich und ohne Chemie bearbeitet, Passopisciaro befindet sich offiziell in der Umstellung zum Bioweinbau. Wie auch bei der Tenuta die Trinoro, Andrea Franchettis Weingut in der Toskana, wurden die Reben hier in extremer Dicht-Bepflanzung mit 12.000 Rebstöcken pro Hektar angebaut. Durch den Wettbewerb mit den benachbarten Stöcken wurzeln sie tiefer, um an Wasser und Nährstoffe zu gelangen. Seit diesem Jahr arbeitet Vincenzos Tochter Oriana an seiner Seite. Die junge Agronomin wuchs zwischen den Reben auf und teilt die Leidenschaft für das beeindruckende Anwesen mit ihrem Vater. Zum Weingut gehören einige der beeindruckendsten und höchsten Weinberge des nördlichen Ätna, sie liegen auf um die 1.000 Höhenmetern und sind teilweise mit Jahrhunderten alten Trockensteinmauern terrassiert.