Vietti war es vorbehalten, den überhaupt ersten Barolo mit dem zusätzlichen Lagennamen zu versehen, eine Revolution.
Die Weine hatten immer große Klasse und gehörten zu den besten der DOCG, die Weinbergsarbeit und Selektion war penibel und vorbildlich. Aber erst mit der Übernahme der Geschäfte durch Schwiegersohn Mario Cordero und des Ausbaus durch den Sohn Luca Currado und dem damit verbundenen teilweisen Einzug der Moderne (niedrigere Temperaturen für mehr Frucht, und Ausbau im gebrauchten Barrique und mittelgroßen Fässern zur Bändigung der Tannine) ist Vietti wirklich mit an der Spitze. Die Weine verkörpern fast ideal die Verbindung der Tradition von Tanninmonstern mit hoher Säure und der Moderne mit fruchtbetonten, offeneren und weicheren Eigenschaften. Grundlage der Qualitätsexplosion bei Vietti sind aber in erster Linie die immensen Veränderungen im Weinberg seit Luca die Verantwortung übernahm. Winzige Erträge, fast so extrem wie bei Roberto Voerzio, biologische Weinbergsarbeit, Dichtpflanzung, bei Vietti wird alles getan um die Stellung unter den Top-5 des Piemont zu festigen. Die Familie Vietti gilt auch als Pionier in Sachen Arneis. Vietti füllte als erstes Weingut Italiens rebsortenreine Arneis ab, und damit machte Vietti eine der individuellsten autochtonen Weißweintrauben Italiens groß.
Die Erfolgsstory geht weiter
Auch wenn das seit 1873 bestehende Weingut 2016 an eine amerikanische Investoren-Familien verkauft wurde, blieb es de facto ein Familienbetrieb der Extraklasse. Und es änderte sich auch die Struktur nicht. Luca Currado blieb Weinmacher und Mario Cordero übergab den Verkauf an den Schweizer Urs Vetter. Bei Vietti wird alles getan um die Stellung unter den Top-5 des Piemonts zu festigen. Das gilt auch für die Zukunft, nachdem Luca das Weingut 2022 final doch in neue Hände gelegt hat. 2019 war also faktisch der letzte Jahrgang in Lucas voller Verantwortung. Aber die Erfolgsstory geht ob der fantastischen Ausgangslage und der einzigartigen Lagen weiter.
Der Winter 2020 war nass und kalt und die Böden wurden mit ausreichend Niederschlag wieder aufgefüllt. Ein perfekter Start für den Jahrgang 2021. Durch die regelmäßige Entwicklung der Vegetation in den Weinbergen waren die Monate April, Mai und Juni relativ entspannt in den Weinbergen zu bearbeiten. Auch die Trauben hingen regelmäßig auf die Weinstöcke verteilt und in guter Konzentration. Der Niederschlag fiel während des Sommers gut verteilt und in regelmäßigen Abständen. Es gab dieses Jahr keinerlei Hitzespitzen, die warmen Tage wurden mit kühlen Nächten ausgeglichen.
Bei Vietti wurde dreimal eine grüne Lese durchgeführt. Mitte Juli, Anfang August, als die Trauben ihre Farbe änderten und noch ein letztes Mal Anfang September. Die Lese zog sich 2021 von Ende September bis Mitte Oktober, als die Trauben in einem Stadium des perfekten Reifezustands waren. Tannine, Säure- und Zuckerwerte waren ausgesprochen harmonisch. Diese Harmonie kann man nun im finalen Wein wiederfinden. Zum Teil wurden die Traubenschalen nach der Gärung 30-35 Tage auf der Maische mazeriert. Winzer Eugenio Palumbo ist höchst zufrieden mit diesem perfekten Jahrgang. »The wines are powerful and intense with great personality.«
Der Barolo Castiglione stand schon im Jahrgang 2019 qualitativ ganz besonders hervor. 2021 gehört der Wein wieder zum »Best of the Best« der Region. In diesen Wein fließen unter anderem hervorragende Trauben der Cru-Einzellagen, die – was den Ertrag angeht – zu klein sind für eine Einzellagen-Abfüllung. Der Barolo Castiglione von Vietti ist also keineswegs ein einfacher Ortswein Barolo. Das Hedonismus Barometer schlägt bei seiner Probe bis oben an und klingelt laut. Wahnsinn!
Generell kann man sagen dass jede der Cru-Lagen ihre Persönlichkeit 2021 noch intensiver ausdrückt als gewöhnlich. Sozusagen das Beste vom Besten mit extra Druck und Schub, oder wie 2019 oder 2016, nur mit dem Regler NOCH weiter aufgedreht. Das bedeutet genau in einer kurzen Beschreibung: Rocche ist der ultimative Inbegriff der Eleganz und Finesse und ein perfekter 100 Punkte Wein. Ganz klar der beste Barolo des Jahrgangs von Vietti, aber eben leider auch der rarste. Lazzarito ist ihm dieses Jahr qualitativ dicht auf den Fersen. Die ikonische Lage direkt am Ortseingang von Serralunga vereint Intensität und grandiose Tiefe in Perfektion.
Die Ravera Cru war zum Zeitpunkt meiner Probe etwas verschlossen – das sind die Weine der Lage bei Vietti häufig in diesem Stadium, aber die saftige, opulent duftende Aromatik war dennoch nicht zu übersehen. Monvigliero knackt und knistert auf der Zunge mit seiner salzigen Mineralität und mediterranen Kräuterwürze. Durch die Bank also ein beeindruckender Jahrgang, mit vielen individuellen Wein-Persönlichkeiten, die sich allesamt am oberen Ende der Punkteskala tummeln. Bravo Vietti!
Der Barolo Release des Jahrgangs 2020 im Januar 2024 ist bereits der 22. Jahrgang von Eugenio Palumbo als Chef de Cave bei Vietti. Eugenio hat also über 22 Jahre an Luca Currados Seite gearbeitet und in der nahen Zukunft sind daher auch keine stilistischen Änderungen zu erwarten. Bei Vietti sind die 2020er mit betonten, dichten, klassischen Tanninen ausgestattet. Die Weine haben nicht ganz so viel verführerisch saftige, opulente Frucht wie die 2019er, was sie deshalb zunächst etwas muskulöser, schlanker und »kantiger« erscheinen lässt. ABER die Weine sind ohne Frage groß, dicht und haben ein langes Reifepotential. Sie werden einige Jahre Flaschenreife benötigen. Schon bei der etwa zweistündigen Probe zeigen sie sich als Verwandlungskünstler im Glas. Balance ist bei Vietti das Schlagwort des Jahrgangs 2020 und Tannine, Säure und Körper sind harmonisch vereint. Der Barolo Monvigliero liegt dieses Jahr leicht vor dem Rocche di Castiglione 2020. Der Wein ist kompletter und zudem komplexer. Im Frühling 2024 hat auch das Warten endlich ein Ende und der grandiose Barolo Villero Riserva 2016 wird auf den Markt gebracht. 2015 wurde keine Villero Riserva gemacht, denn bei Vietti stellt sie immer die strukturell langlebigsten Weine dar. Sogar noch mehr Freude machte mir der Jungfern-Jahrgang des Barbaresco Rabaja Riserva 2019. Auch er kommt 2024 auf den Markt und wird direkt aufs Siegertreppchen der ersten Barbaresco Liga steigen. Übrigens ist der Langhe Nebbiolo Perbacco 2021 der wahrscheinlich beste Nebbiolo des Jahrgangs in seinem Preisbereich.
Für Luca Currado, den Winzer hinter dem Weingut Vietti, hat der Jahrgang 2019 viel gemeinsam mit den Jahrgängen 2016 und 2013. Es ist ein Jahrgang, der von allen Zutaten viel zu bieten hat. Viel Tannin, viel Säure und viel Frucht. Genau diese Frucht-Opulenz ist aber auch in seinen Weinen der entscheidende Unterschied. Die Weine sind zwar strukturiert, aber nichts ist trocken, nichts ist spröde. Schon der Barolo Castiglione 2019 ist ein hedonistisches Leckerli! Er hat eine grandiose, klassische Struktur und dabei eine betörende Saftigkeit. Der Wein wird mit etwas Flaschenreife noch grandioser werden. Ein Highlight unter den Cru-Weinen ist im Jahrgang 2019 der Rocche di Castiglione, die Lage genau gegenüber dem Villero. Der Wein hat eine fantastische Eleganz und Balance. ABER: Alle 2019er Vietti Barolo brauchen ein paar Jahre in Ihrem Keller. Der Jahrgang ist ganz ohne Frage groß, aber er wird voraussichtlich erst in circa acht bis zehn Jahren in sein Trinkfenster kommen. Es gibt zusätzlich zu unseren hohen Bewertungen weitere gute Nachrichten, denn das Weingut konnte in den vergangenen Jahren ein paar neue Weinbergslagen erstehen. Die große Neuerung des Jahrgangs 2019 besteht wohl darin, dass die Barbaresco-Toplage Rabaja neu als Riserva gemacht wird. Auch bezüglich der weißen Timorasso von Vietti ist zu berichten, dass ab dem Jahrgang 2021, der Anfang 2023 auf den Markt kommt, mehr Flaschen gemacht werden.