Der Vater des heutigen jungen Besitzers Nicola Oberta und seiner nicht minder ambitionierten Frau Steffania, hatte den Weinberg immer an seinen früheren Arbeitgeber Ratti vermietet. Nicola arbeitete bei Merryl Lynch in London im Investmentbereich, Steffania bei Price Waterhouse Coopers in deren Londoner Rechtsabteilung als Anwältin. Als beide buchstäblich die Schnauze voll hatten vom Establishment und Internationalität, erinnerten sie sich an ihre Ursprünge. Sie kommt aus Alba, er aus La Morra. Und sein Vater ging in Rente. 1,5 Hektar besten Weinbergs Rocche. Nicola und Steffania träumten ihren Traum vom biologischen Weingut in La Morra im Zeitraffer. Nicola gewann einen der bekanntesten Banker und Finanzmagnaten des Piemonts und einen weiteren Freund, zusammen investierten sie in den Ankauf von fünf Hektar brachliegender Barolo-Fläche in Berri. Tre de Berri (drei aus Berri) – der Weingutsname war geboren. Dazu den Rocche aus Annunziata, die Mitgift des Vaters. Das Terroir in Berri ist Kreide und Kalkstein, hochfeine und mineralisch salzige Weine kommen von diesem Terroir. Und das aus mehr als 400 Metern Höhe. Cool climate! Aber die Freunde mussten erst mal 2006 alle fünf Hektar neu pflanzen. Selection Massale aus dem Rocche und anderen Toplagen. Verschiedene schwachwüchsige Unterlagsreben. Und das auf eine langen Brache, perfektes Bioland, Jahrzehnte weder Pestizide noch Herbizide noch Kunstdünger. Was für eine Ausgangslage!
Das Weingut Trediberri hat sich über die letzten Jahre hinweg beständig zu einem der spannendsten Weingüter aus La Morras entwickelt. Nicola Oberto und seine Frau Stefania setzen weiter auf naturnahe Arbeit und verbringen unzählige Arbeitsstunden in den Weinbergen, um qualitativ die bestmöglichen Trauben hervorzubringen. Manchmal scheint die Natur dennoch unfair und gnadenlos. So wurde das Weingut im April 2021, wie zuvor auch schon im Jahrgang 2018, von Frühfrost heimgesucht. In diesem von perfekter Qualität der Trauben gezeichneten Jahrgang ist die reduzierte Menge von 30-35 Prozent für das junge Paar besonders bitter, denn es war ein großer Teil ihrer Parzelle in der Cru Lage Rocche dell’Annunziata betroffen.
Bei meinem letzten Besuch 2023 gingen Nicola und Stefania noch davon aus, dass es wieder einen Barolo La Morra geben wird, in dem sie ihren Barolo Berri mit den Trauben des Rocche dell’Annunziata verschneiden wollten, wie sie das auch im Jahrgang 2018 getan hatten. Beim Besuch im Herbst 2024 haben sie ihre Meinung jedoch geändert. »This is the best Rocche we have ever made.« sagt Nicola mit bewegter Stimme. Es gab zu Beginn nur ein einziges 42 HL fassendes Holzfass. Nachdem der Wein sauber von der Hefe abgezogen war, blieben noch 35 HL übrig, der Rest war Hefe. Das bedeutet, es wird nur ungefähr 4.400 Flaschen geben. Nach der beeindruckenden Probe des Jahrgangs kann ich bestätigen, dass dieser ultra vielschichtige, komplexe und intensive Rocche absolut mind-blowing ist! Hier haben sich die beiden jungen Winzer selbst übertroffen.
Natürlich trugen auch die perfekten Bedingungen des einzigartigen Jahrhundertjahrgangs 2021 zu diesem Erfolg bei. Balance ist bei Trediberri das Kennwort dieses Barolo-Jahrgangs. Die Weine sind einfach absolut umwerfend und definitiv nochmal ernstzunehmender als 2020 und sogar 2019. Beide Baroli sind wirklich phänomenal! Wie gesagt wird es nur wenige abgezählte Flaschen Rocche dell’Annunziata für den deutschen Markt geben – Fans müssen also schnell sein, um den Wein nicht zu verpassen.
Nicola Obertas großes Vorbild sind die Weine von Bruno Giacosa. Zugleich ist Maria Teresa Mascarello vom Weingut Bartolo Mascarello eine gute Familienfreundin und Lehrmeisterin. Für ein Weingut, das so fokussiert auf der Spur der Finesse und der Feinheit fährt, kommt ein Jahrgang, der Balance, Eleganz und Klasse so wunderbar verkörpert wie 2020 als maßgeschneidertes Geschenk! Hier gab es keine besonderen Wetterkapriolen. Es war der letzte Jahrgang mit ausreichend Regen, bevor 2021, 2022 und 2023 von Trockenheit geprägt sind. Das Boutique Weingut freut sich daher über einen sehr ähnlichen Ertrag von insgesamt 32.000 Flaschen, mengenmäßig war der Jahrgang sehr ähnlich wie das Vorjahr 2019. Ab diesem Jahrgang 2020 ist das Weingut nicht mehr bio-zertifiziert. An der Weinbergsbearbeitung hat sich nichts geändert, aber Nicola Oberto steht der Lockerung der Anforderungen – inzwischen darf auch im Keller flüssiger Kupfer verwendet werden – äußerst kritisch gegenüber und kann sich daher nicht mehr mit der Zertifizierung identifizieren. Als kleinen Vorausblick in die Zukunft wissen wir leider schon, dass es im Frühjahr 2021 einen schwerwiegenden Frost gab, der den Jahrgang beim Weingut Trediberri dezimiert hat. Fans des Weinguts sollten sich daher zur Sicherheit unbedingt mit dem verträumten 2020er Barolo Berri eindecken!
Nachdem Nicola und Stefania 2018 nur einen Barolo füllten, den Comune di La Morra, in den sowohl die Trauben des Berri als auch der Spitzenlage Rocche di Annunziata flossen, werden im Jahrgang 2019 wieder beide Weine separat ausgebaut. Der Jahrgang war auch hier perfekt und es konnten Trauben wie aus dem Bilderbuch gelesen werden. Auch während der Lese blieb die Säure in den kerngesunden Trauben stabil, was nun in den fertigen Weinen zur ultimativen Balance führt. Nicolas großes Vorbild sind die Weine von Bruno Giacosa, und im Rocche di Annunziata 2019 kann ich durchaus Parallelen erkennen. Der wirkliche Star des Jahrgangs ist hier aber der Barolo Berri 2019! Er ist der »Underdog« und spielt trotz seiner eigentlich bescheideneren Herkunft in einer anderen Liga. Alle Achtung! Das ist ganz klar ein Wein, der im Überflieger-Jahrgang 2019 nicht verpasst werden sollte. Obwohl die Struktur der 2019er den Weinen das Zeug für ein langes Leben gibt, sind sie zugleich zugänglicher als die massiveren, im Moment meist noch verschlossenen 2016er. Im Grunde genommen ist 2019 ein Jahr noch größerer Perfektion, weil schlichtweg der Hedonismus in den Weinen gefeiert wird.