Gemeinsam mit seiner Ehefrau Mariuccia kaufte der junge Visionär einen Teil der Cru Lage Cannubi Boschis und gründete 1978 sein Weingut Luciano Sandrone. Damals war das Piemont, ebenso wie auch das Burgund, eine Region, die unter dem Radar flog. Die Weine waren natürlich lange nicht so exklusiv wie heute und Winzer arbeiteten in ihren Weinbergen aus Überzeugung – nicht um reich zu werden. Luciano war bei der Qualitätsrevolution des Piemonts der 1980er Jahre von Anfang an ganz vorne mit dabei. Durch seine Voraussicht und Qualitätsphilosophie, mit Fokus auf die besten Weinbergslagen und autochthone Rebsorten, inspirierte und prägte Luciano zudem eine junge Generation an Winzer-Kollegen in der Region entscheidend. 1989 wurde sein Cannubi Boschis mit 97 Punkten von Robert Parker ausgezeichnet, 1990 folgte dann die perfekte Bewertung mit 100 Punkten. Es dauerte also gerade mal knapp eine Dekade, bis der begnadet talentierte Winzer sein Weingut unter der Elite der Region etablierte.
Lucianos deutlich jüngerer Bruder Luca und seine Tochter Barbara arbeiten seit den 1990er Jahren an seiner Seite. Während sich Barbara mit Herz und Seele um den Vertrieb der Weine in die ganze Welt kümmerte, entwickelte sich Luca zu seiner rechten Hand. Traurigerweise verstarb Luciano im Januar 2023, aber mit Luca ist das Erbe in allerbesten Händen. Und mit Barbaras Tochter Alessia, die ebenso vom Weinbau begeistert ist und in Alba Önologie studiert hat, und ihrem Bruder Stefano, der voraussichtlich nach seinem Studium ebenfalls ins Familienunternehmen einsteigen wird, tritt nun auch die nächste Generation in seine großen Fußstapfen.
Heute bewirtschaftet die Familie 27 Hektar Reben. Die Weinbergsbearbeitung geschieht bei Sandrone biologisch-organisch. Aber man lässt sich nicht zertifizieren, weil man nicht auf der Biowelle schwimmen will. 1999 wurde der moderne Keller des Weinguts, direkt gegenüber der Cru Lage Cannubi Boschis fertiggestellt. Alle Baroli werden ausschließlich in 500 Liter Tonneaux ausgebaut, davon sind 20 Prozent neu, sodass die gewünschten oxidativen Effekte des Holzes zwar da sind, aber der geschmackliche Einfluss extrem gering bleibt. Das Besondere bei Sandrone ist, dass schon nach ungefähr acht Tagen Kaltmazeration und dreiwöchiger Vergärung die Weine von den Schalen gezogen werden, andere Erzeuger geben gern nochmal ein bis zwei Wochen Schalenkontakt zu. Der Presswein wird nie verwendet, sondern als Fassware verkauft.
Ein Weingutsbesuch bei Sandrone fühlt sich an, als ob man zur eigenen Familie nach Hause kommt. Die Offenheit für Besucher und die Herzlichkeit der Familie ist einzigartig und berührend und vielleicht ist es wirklich so, dass dieses gute Gefühl schmeckbar ist.
Die phänomenale Klarheit, Intensität und dabei auch die stets präsente Balance und Feinheit der Weine begeistern mich jedes Jahr aufs Neue. Dabei ist es unmöglich einen Lieblingswein zu haben – Bei den Baroli liegt in einem Jahr der Lagenblend »Le Vigne« vorne und im nächsten der »Aleste«, der aus der Cru Lage Cannubi Boschis kommt und zu Ehren von Lucianos Enkelkindern, Alessio und Stefano, seit dem Jahrgang 2013 unter den jeweils ersten drei Buchstaben ihrer Vornamen abgefüllt wird. Der Nebbiolo Valmaggiore kommt von einer ganz besonderen und recht steilen Lage in Roero, die man mal gesehen und geschmeckt haben muss. Die Eigenheiten der Lage werden durch den saftigen, klaren Sandrone-Stil direkt ins Glas transportiert! Ab dem Jahrgang 1999 begann das Weingut eine exklusive Wein-Library aufzubauen mit den drei Nebbioli Valmaggiore, Barolo Le Vigne und Barolo Aleste. Diese gereiften Weine kommen unter »Sibi et Paucis«, lat. »Für uns und für wenige« sehr dosiert in kleinsten Mengen in den Verkauf, wenn sie ihre Trinkreife erreicht haben – natürlich zu etwas höheren Preisen. Diese Weine tragen einen Spezialstempel von Sandrone, der dokumentiert, dass die Weine mindestens zehn Jahre unter optimalen Bedingungen auf dem Weingut gelagert wurden.
Luca Sandrone erinnert sich an den Jahrgang 2021 mit gemischten Gefühlen. Der Covid-Jahrgang brachte viele Restriktionen mit sich, die die Führung des Weinguts vor die eine oder andere Herausforderungen stellten. Im Weinberg lief allerdings alles »super easy«. Der Bilderbuch-Jahrgang brachte nach einem warmen Sommer und dem ausgeglichenen, sonnigen Herbst mit guten Temperaturunterschieden zwischen den Tages- und Nachttemperaturen perfekt reife Trauben hervor. Für Luca ist 2021 DER absolut herausragende Klassikjahrgang dieses Jahrhunderts und ein Jahrgang, der aufgrund seiner intensiven Konzentration an Frucht und Struktur großes Potenzial für den Keller hat. 2021 war während des Ausbaus auch ein Jahrgang, der Luca immer wieder überraschte. Manches versucht er noch immer genau zu verstehen.
Die reichhaltigen und komplexen Barolo-Weine entwickelten sich im Keller super langsam in ihren 500 Liter fassenden Eichen-Tonneaux. Daher brachte Luca einen Teil des Weins in einen 6 bis 8 Grad wärmeren Raum, um der Entwicklung etwas unter die Arme zu greifen und sie voranzutreiben. Die gesetzlich vorgeschriebene Mindestreifezeit von 18 Monaten im Fass sind laut Luca absolut nicht genug für einen großen Strukturjahrgang wie 2021. Bei Sandrone durfte der Jahrgang deshalb 22 Monate im Fass reifen. Die Weine erinnern Luca an 2001, 2004 oder 2011. Der Jahrgang 2021 hat auch Ähnlichkeit mit 2013 – allerdings zeichnet er sich durch intensivere balsamische Kräuteraromen aus und hat durch einen Hauch Minze auch eine schöne Frische – und 2016 aufgrund der oben erwähnten langsameren Entwicklung.
Der große Unterschied zum ebenfalls großen Jahrgang 2016 ist, dass der Wein dieses Jahr mehr »Fleisch um die Knochen« hat. Seither wurde das Klima eben insgesamt noch etwas wärmer im Piemont und obwohl der Jahrgang 2021 relativ warm war, haben die Weine neben ihrem größeren Gewicht auch kühle Eigenschaften, die nach ein paar Jahren Flaschenreife verlangen. In vielen der letzen Jahrgängen lag der Barolo le Vigne für mich persönlich leicht vor dem Barolo Aleste. 2021 zeigt Aleste – der Wein wurde von Luciano zu Ehren der Enkelkinder ab dem Jahrgang 2013 umbenannt von Cannubi Boschis in Aleste, die Abkürzung der beiden Vornamen Alessia und Stefano – warum die Lage Cannubi Boschis zu den besten und sogar mythischen Lagen des Piemonts zählt. Der Wein hat die Statur, Eleganz und die Aura eines großen Burgunders. Eine schier unglaubliche Tiefe und dennoch diese wunderschöne Verspieltheit. Der Aleste 2021 zählt zu den ganz großen Barolo Weinen des Jahrgangs 2021. Übrigens kommt mit den 2021er Baroli 2025 auch der Vite Talin 2019 auf den Markt. Er ist intensiv, monumental und atemberaubend strukturiert. Der herausragendste Jahrgang dieses exklusivsten aller Sandrone Weine, der bisher gemacht wurde.
Luca und Barbara Sandrone sind sehr glücklich und zufrieden mit dem Jahrgang 2020. Die Baroli sind der Inbegriff verführerischer, saftiger Kirschfrucht – das Hedonismus Barometer schlägt voll aus! Auf den milden Winter 2019 folgte ein relativ frühzeitiger Austrieb mit ausreichend Regen im Mai. Im Sommer zeichnete sich der Jahrgang durch ausgeglichene Temperaturen aus, es gab keine Hitzespitzen und die Trauben hatten nie Hitzestress. Bei Sandrone war 2020 also ein relativ entspannter Jahrgang im Weinberg. Aber welchen Platz landet dieser Jahrgang in der Hitparade der besten Jahrgänge bei einem Weingut, das konsistent Jahr um Jahr großartigen Stoff auf die Flasche füllt?! Zum einen sind die Weine sehr klassisch in ihrer Struktur, sie haben unendlich viele Tannine, aber zugleich haben die Weine auch mehr Saftigkeit, fast sogar so viel wie 2018. Möglicherweise ist das eine perfekte Kombination aus 2018 und 2019. Oder eine Art 2019 mit Turbo-Frucht! Das Genießerherz schlägt auf jeden Fall beim Probieren gleich etwas höher.
Die 2019er von Sandrone sind durch und durch große Klassiker. Das sind Langstreckenläufer, die mindestens zehn Jahre in der Flasche brauchen. Der saftig hedonistische 2018er Le Vigne bringt mich immer noch ins Träumen, letztes Jahr war er für mich eines der Highlights der gesamten Piemont-Verkostungsreise. Dieses Jahr, im klassischen, strukturierten Spitzen-Jahrgang 2019, liegt der Aleste für mich leicht vorne. Der Wein hat zu Ehren von Barbara Sandrones Kindern Alessia und Stefano 2013 den Namen seiner Herkunftslage Cannubi Boschis gegen die jeweils ersten drei Buchstaben der beiden Vornamen getauscht. Alessia hat ihr Önologie-Studium bereits erfolgreich abgeschlossen und dafür ihre Diplomarbeit mit Erfolg dem Nebbiolo-Klon gewidmet, aus dem der Barolo Vite Talin gewonnen wird. Stefano ist noch im Studium, aber auch er verbringt so viel Zeit wie möglich in den Weinbergen. Das Schöne bei Sandrone ist aber, dass das Familienweingut nicht nur herausragende Weine macht, sondern man auch sofort ein positives Gefühl bekommt, sobald man durch das massive, große Holztor des Weinguts tritt. Neben den fantastischen 2019ern kommen dieses Jahr auch wieder eine Reihe beeindruckender »Sibi et Paucis«, die Weine aus der Kellerreserve des Weinguts, in den Verkauf: Nebbiolo d'Alba Valmaggiore 2017, Aleste 2013 und Barolo Le Vigne 2013. Die Barolo sind nach 10 Jahren im Keller an einem schönen Trinkzeitpunkt angekommen und haben dennoch ausreichend Zeit für eine weitere, lange Reifezeit im Keller.