Hinter vorgehaltener Hand wurde im Piemont über dieses neue, ultra spannende Weingut bereits seit dem Frühjahr 2022 wild spekuliert, als Luca Currado-Vietti und Elena Penna ihre Arbeitsplätze auf dem ehemaligen Familienweingut Vietti, das 2016 verkauft worden war, verließen. Lange bevor man auch nur erahnen konnte, was die beiden vorhatten und wo sich das neue Weingut befinden sollte, brodelte die Gerüchteküche wie wild – und das, obwohl die Eheleute beinahe zwei Jahre lang »dichthielten« und felsenfest behaupteten, dass sie sich fortan lediglich auf ihr neues Sortiment der traditionell gemachten – und wirklich außergewöhnlich guten! – aromatisierten Weine unter dem Namen »Elena Spirits« konzentrieren wollten.
Die ersten Anzeichen für neue Entwicklungen gab es während meines mehrwöchigen Besuchs in der Region im Oktober 2023, denn inzwischen wurde in den Weinkellern ringsum schon lauter gemunkelt! Klar ist, dass es auf dem Land wesentlich herausfordernder ist, Geheimnisse zu wahren, als in der Stadt. So erzählten Winzer hier und dort, dass Luca und Elena im Weinberg bei der Arbeit gesichtet worden seien!
Kurzerhand traf ich mich mit Elena und Luca auf einen Kaffee. Die beiden lächelten verschmitzt. ›Wenn uns jemand fragt, was wir mit unserem neuen Projekt vorhaben, sagen wir immer, dass wir eine Käsefabrik planen!‹
Als einer der begnadetsten und erfolgreichsten Barolo-Winzer ist Luca bereits zu Lebzeiten eine Legende, denn er hat sich in den über 35 Jahren als Winzer bei Vietti seinen großen Namen mehr als verdient.
Circa eine Stunde später fahren wir hinauf nach Serralunga d’Alba! Oberhalb der Lage Lazzarito, direkt am Ortseingang von Serralunga, thront ein traditionelles, beinahe anmutiges Bauernhaus mit einer bewegten Geschichte. Das 1554 erbaute Gebäude mit der atemberaubenden, 360 Grad Sicht über Serralunga d’Alba, war einst Heimat der Marchesi Falletti und somit im 17. Jahrhundert schonmal ein Weingut. Später wurde es unter dem Namen ›Opera Pia di Torino‹ zu einer gemeinnützigen Einrichtung umfunktioniert, ähnlich der des Hospice de Beaune im Burgund. In diesem Jahrhundert stand das riesige Gebäude, das zum UNESCO Weltkulturerbe gehört, bereits viele Jahre lang leer, bis schließlich unter der Hand nach einem neuen Käufer gesucht wurde. Die Familie Penna-Currado konnte es 2018 kaufen.
Bei unserem Besuch im Oktober 2023 befand sich das Gebäude noch im Rohbau und hatte keine Fenster. Die Luft vibrierte vor Spannung und fieberhafter Abenteuerlust und Lucas und Elenas Augen leuchteten vor Freude und Aufregung. Als einer der begnadetsten und erfolgreichsten Barolo-Winzer ist Luca bereits zu Lebzeiten eine Legende, denn er hat sich in den über 35 Jahren als Winzer bei Vietti seinen großen Namen mehr als verdient. Ein ähnlich akribisches und kompromissloses Qualitätsstreben in Kombination mit Rastlosigkeit, Energie und dem Appetit auf stetige Verbesserung findet man wirklich so schnell kein zweites Mal – vielleicht noch am ehesten bei Roberto Conterno vom Weingut Giacomo Conterno. Neben ihrem einzigartigen Talent und der großartigen Qualitätsphilosophie, welche sie auszeichnen, sind Luca und Elena zudem noch bei den Kollegen in der Region sehr angesehen und beliebt. Zu den engsten Freunden gehört zum Beispiel der charmante Fabio Alessandria vom Vorzeige-Weingut Burlotto in Verduno. Und diese Verbundenheit braucht man hier in der Region auch, um von Angeboten wie dem des einzigartigen Bauernhauses zu erfahren und – was weitaus wichtiger ist – um sich ein paar Hektar der gefragtesten Weinberge der Langhe sichern zu können! Auch ein Teil der großen Garbelotto-Fässer des neuen Weinguts kommt von befreundeten Weingutsinhabern. Die gebrauchten Fässer sind unerlässlich, um den Neuholz-Anteil klein zu halten.
Zu den insgesamt 16 Hektar Rebfläche des Boutique Weinguts gehören absolute Top-Lagen mit Zukunftspotenzial in kühleren Höhenlagen. Auch in Perno und Monforte konnten langfristige Verträge für Dolcetto, Barbera und Langhe Nebbiolo gesichert werden. Und 2,5 Hektar Timorasso, von der einzigartigen autochthonen Weißweinsorte des Piemonts, gehören in Langzeit-Pacht ebenfalls zur Cascina Penna-Currado!
Luca hatte schon immer Freude beim Experimentieren im Keller. Seine Dolcetto und Barbera werden zum Teil mit Ganztrauben, inklusive der Rappen, vergoren und zum anderen Teil werden die sorgfältig entrappten, ganzen Trauben vergoren. Der Ausbau erfolgt in großen slowenischen Eichenfässern der Marke Garbelotto. Das Weingut Penna-Currado wird auch in Zukunft, wenn die Baroli nach vier Jahren Reifezeit im Keller endlich auf den Markt kommen werden, je nach Jahrgang maximal 50.000 bis 70.000 Flaschen abfüllen. Ganz ähnlich wie bei den Weinen von Bartolo Mascarello oder den Rinaldi-Schwestern ist heute schon klar, dass sich glücklich schätzen kann, wer sich da ein paar Flaschen zu sichern weiß.
2023 war ein heißes und trockenes Jahr im Piemont. Im Winter zuvor gab es nur sehr wenig Niederschlag, weshalb die Wasserreserven in den Böden auf niedrigem Stand waren. Die Arbeit in den Weinbergen muss technisch gut durchdacht sein und wird laut Winzer Luca Currado immer wichtiger. 2023 ist ein Wein-Jahrgang, der sowohl richtige als auch falsche Entscheidungen in den resultierenden Weinen betont. So ist beispielsweise Sonnenbrand auf der Traubenhaut ein relativ neues Phänomen in Europa und kann mittlerweile ganz besonders für Rebsorten mit tendenziell dünneren Traubenschalen wie beispielsweise Pinot Noir und Nebbiolo zum Problem werden. Wer standardmäßig Blätter entfernt, um für gute Durchlüftung der Weinberge zu sorgen, schädigt unter Umständen die Trauben.
Luca Currado erkannte das Problem glücklicherweise und Dank seiner langjährigen Erfahrung nach dem ersten Tag, an dem ein Teil der Blätter im Weinberg entfernt wurde, an den Trauben. Von da an wurde bei Penna-Currado dafür gesorgt, dass die Trauben durch ausreichend viele Blätter den nötigen Sonnenschutz hatten. Es wurde nur von der Seite der Reben entblättert, auf die die sanftere Morgensonne trifft. Dadurch wurde Sonnenbrand der Trauben vermieden und die Reife sogar (im Vergleich zu einigen benachbarten Weingütern) 10-15 Tage verlangsamt.
Mit der »vendemmia acida« wurde ein Teil der unreifen Trauben drei Wochen vor der Hauptlese entfernt, was am Ende zum perfekten Ausreifen und der Konzentration der Trauben am Rebstock beitrug. Die Lese selbst dauerte 2023 jeden Tag bis in die späten, kühlen Abendstunden an. Rückblickend war Lucas langjährige Erfahrung wirklich unerlässlich, um dieses Jahr in den Weinbergen alles richtig zu machen und das »Experiment« dieser neuen Herangehensweise durchzuführen.
»If you don’t take any risks, you always stay mediocre.« Weise Worte von einem der begnadetsten und zugleich bescheidensten Winzer Italiens.