Bruno Giacosa war durch und durch Traditionalist, und vom Ausbau im großen »Botti« überzeugt. Dennoch war er stets offen für Neuerungen und liebte es im regen Austausch mit anderen Winzern zu sein – selbst mit den ebenfalls nach Qualität strebenden, aber damals in der Region umstrittenen »Modernisten« Elio Altare, Luciano Sandrone und Angelo Gaja. Zudem hatte Bruno Giacosa das wahrscheinlich beste Netzwerk im gesamten Piemont, denn obwohl seine Familie schon seit Generationen Wein machte, besaß sie lange Zeit keine eigenen Weinberge. Im Alter von 15 Jahren fokussierte er sich also zunächst auf das Business als Trauben-Negociant. Dadurch lernte er die Weinberge des Piemonts wie seine Westentasche kennen. Schon wenige Jahre später war Bruno Giacosa DER Weinbergs-Spezialist der Region. Wissen ist bekanntlich Macht und »il Genio di Neive« (das Genie aus Neive) hatte dadurch die Möglichkeit, als Trüffelschwein vorrangigen Zugriff auf die feinsten Trauben der besten Weinbergslagen zu haben.
Die Stärke des Weinguts und das Erfolgsgeheimnis liegen in den langjährigen Beziehungen zu den besten Traubenlieferanten der Region, viele dieser Beziehungen bestehen bis heute. Bruno war seiner Zeit lange voraus und man darf nicht vergessen, dass das Piemont der Nachkriegsjahre eine bitterlich arme Region war. Brunos Besessenheit, sich ausschließlich auf große Qualität zu konzentrieren, war damals einzigartig. Wenn ein Jahrgang nicht gut genug war, wurde er eben nicht unter dem Giacosa Etikett abgefüllt, sondern stattdessen als Fassware abverkauft. Dadurch wurde Bruno Giacosa zu einem der profundesten Winzer des Piemonts der 1960er-Jahre und zugleich zu der Ikone, zu der ganz Italien hinaufschaute. Einige der »best ever« Weine Italiens tragen völlig zu Recht das Giacosa Etikett.
This legendary winemaker had an insane, deeply intuitive and intellectual ability to recognize the best growing sites for the Nebbiolo grape.
– Monica Larner
(robertparker.com)
In Anlehnung an seine großen Vorbilder aus dem Burgund war Bruno zudem ein Pionier und nannte erstmals die Cru-Lage auf dem Etikett. Im extrem traditionellen Piemont löste das eine revolutionäre Welle aus, die jedoch nur wenig später auf andere Weingüter überschwappte.
Ende der 1970er Jahre wurde es zunehmend schwieriger, Trauben der besten Lagen zuzukaufen, da mehr und mehr Traubenproduzenten ihren eigenen Wein, und damit höheren Profit, machen wollten. 1982 erstand Bruno Giacosa somit seinen ersten eigenen Weinberg in Barolo (das Weingut selbst ist in Neive, in der Region Barbaresco gelegen) und mit dem »Falletto di Serralunga« handelte es sich natürlich um eine der besten Lagen der Region Barolo. 1996 folgten die großartigen Zugänge aus Parzellen in Barbaresco, nämlich in den Cru-Lagen »Rabaja« und »Asili«.
Der Ausbau geschieht traditionell nur in großen Holzfässern. Keinerlei modischer Schnickschnack, keine Zugeständnisse an den Zeitgeist, wobei das Weingut mittlerweile eine Herangehensweise bevorzugt, die als »updated traditional« bezeichnet werden kann. Das heißt, die Mazerationszeit auf den Traubenschalen dauert heute eher 20-30 Tage als 50 und französische »Holz-Botti« ersetzten nach und nach die slowenischen. Zum Teil findet die Gärung im Stahltank statt, auch hier war Giacosa fortschrittlich.
Im Vergleich zu anderen Weingütern der Region werden die Wein-Monumente oft ein bis drei Jahre länger im Keller ausgebaut, bevor sie auf den Markt kommen. Giacosa Weine sind aufgrund ihrer Struktur und Dichte immer sehr lagerfähig. Giacosa Weine verdienen sogar Zeit im Keller, um ihre unendliche Komplexität und Feinheit zur Geltung zu bringen. Jung sind sie manchmal, ob ihrer stets traditionellen, griffigen Nebbiolo-Tanninstruktur, etwas verschlossen und eine mindestens fünf bis zehn-jährige Flaschenreife wird mit enormer Aromenvielfalt absolut belohnt.
Nach Brunos Schlaganfall ging die Regentschaft über Keller und Weinberge 2006 an die Tochter Bruna über. Der langjährige Winzer Dante Scaglione, der seit den 1990er Jahren Top-Berater bei Giacosa ist, blieb und arbeitet heute mit dem jungen, talentierten Winzer Giuseppe Tartaglino an seiner Seite. Die Fortführung der Giacosa-Philosophie ist also gesichert. Bruno Giacosa verstarb im Januar 2018. Sein an Tochter Bruna weitergegebenes Wissen und seine Leidenschaft machen die Weine weiterhin einzigartig. Bruna Giacosa trat 2006 in die großen Fußstapfen der Winzer-Ikone und konnte sich trotz des unglaublichen Erwartungsdrucks mit Bravour beweisen. Giacosa Weine sind so atemberaubend und faszinierend wie eh und je. Nur wenige Weingüter verdienen den Kultstatus so sehr wie Giacosa, DIE Wein-Ikone des Piemonts.
2020 war bei Bruno Giacosa ein besonders herausragender Jahrgang. Allein die Tatsache, dass es mit dem Barolo Falletto Vigna Le Rocche 2020 und dem Barbaresco Asili 2020 gleich zwei Riserva Weinen mit dem roten Etikett geben wird, weist darauf hin. Das Ziel des Weinguts war schon immer ultimative Finesse, daher werden die »Unicorn« Red Label Weine oft in durch Eleganz geprägten Jahrgängen, wie eben 2020, gemacht. Das heißt, dass 2024 keine neue Riserva released wird, dafür können wir uns aber schon auf 2025 freuen, wenn die beiden Riserva Weine auf den Markt kommen.
Im großen Jahrgang 2019 sind die Weine von Bruno Giacosa im Charme-Faktor nur schwer zu übertreffen. Die Barolo- und Barbaresco-Ortsweine sind seidig, duftig und zugänglich. Wir probieren dieses Jahr die Cru-Lagen Barbaresco Rabaja 2019 und Barolo Falletto di Serralunga 2019, die 2018 nicht gemacht wurden. Dieser klassische Jahrgang 2019 gibt den Weinen mehr Struktur und mehr Griffigkeit. Aber sie werden dafür mindestens zehn Jahre im Keller brauchen, bevor sie in ihr Trinkfenster kommen. Der Barolo Falletto Vigna Le Rocche Riserva 2017 ist ein wahnsinnig attraktiver Wein, kein Wunder also, dass er das begehrte Rote Label bei seinem Release 2023 voller Stolz tragen darf.