Die Rebsorte Tannat ist das Zugpferd der Appellation Madiran – und er ist eher wilder Hengst als zartes Fohlen. Es gibt kaum eine tanninreichere, intensivere Sorte auf der Welt, aber eben auch keine zweite, die so sehr nach Südwestfrankreich schmeckt.
Es ist eine uralte Region. Schon die Römer kultivierten im Südwesten Frankreichs Weinreben. Spätestens im Mittelalter wurde Wein aus Madiran dann weltberühmt und berüchtigt, denn unzählige durstige Pilger kreuzten damals die Region auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela. Etwas südlich der High-End-Weinbrand-Appellation Armagnac gelegen, macht das Madiran heute rund 1200 Hektar aus, auf deren heißen Ebenen hauptsächlich Tannat steht. Das Madiran liegt auf Kalksteinfelsen mit deutlicher Prägung durch die sogenannten »grebb«, also mangan- und eisenhaltige Kieselsteine, die von den Pyrenäengletschern hinab erodiert sind und der Erde mancherorts eine intensiv rötliche Färbung verleihen können – ähnlich wie in Châteauneuf-du-Pape. Das milde Klima ist – genau wie im unweit gelegenen Bordelais – vom Atlantik geprägt, durch die Lage weiter im Inland allerdings milder und trockener als um Bordeaux.
Die leckere Tanninbombe des Südens
Auch bezüglich der Rebsortenzusammensetzung zeigt sich die Nähe zu Bordeaux. Wenn die stets stark Tannat-lastigen Cuvées mit etwas ergänzt werden, dann meist mit Cabernet Sauvignon oder Franc – oder der autochthonen Fer Servadou, die mit dem Cabernet verwandt ist. Entsprechend dieser Rebsorten brauchen Weine aus Madiran nicht selten immens lange, um zur vollen Genussreife zu kommen. Das gilt vor allem für die sagenhaft alterungswürdigen Topweine der Region, die den großen Bordelaisern in Sachen Reifepotenzial nicht nachstehen. Die große Winzerkunst ist es, dem Madiran seine Rustikalität zu nehmen. Das schaffen nur die allerbesten Erzeuger wirklich verlässlich – wie etwa Barthomieu oder Domaine Capmartin, die beide zu den Vorreitern der Mikro-Oxygenation gehören.
Der schwarze Wein des Südwestens ist ein seit Jahrhunderten bekannter Klassiker der französischen Weinwelt.
Diese Methode des kontrollierten Sauerstoffzutritts in kleinen Dosen während des Ausbaus wurde von Weinberater-Legende Michel Rolland und anderen Topönologen des Bordelais seit den 1990er Jahren propagiert, um tanninreiche Weine früher zugänglich und samtiger zu machen. Auch der gekonnte Ausbau in neuen Barriques und die penible Auslese von Trauben waren in Madiran essentiell für die Entwicklung eines weniger harten Weintyps. Die richtig guten Domaines des Madiran orientierten sich daran und machten folglich riesige Fortschritte in der Weinqualität. Der wilde Hengst Tannat ist also doch zähmbar – man muss es nur können. In jüngster Zeit müssen Top-Madirans also nicht mehr Jahrzehnte weggesperrt werden, um in die Genussphase zu kommen, auch wenn den meisten ein paar Jahre noch immer fraglos guttun. Der schwarze Wein des Südwestens ist ein seit Jahrhunderten bekannter Klassiker der französischen Weinwelt. Zur regionalen, rustikal-fettigen Küche mit Gänseleber und Entenbrust sind die Weine aus Madiran ein hedonistischer Traum.