Neben viel Obstanbau und diverser Landwirtschaft beherbergt das Roussillon auch einige der spannendsten Weingüter Frankreichs.
Im Vergleich mit den renommierten Fine Wine-Regionen des Landes fliegen die hiesigen Domaines aber noch immer unter dem Radar, dabei haben die Weine einen unvergleichlichen, oft verblüffend kühlen Stil – und das aus der Grenzregion zu Spanien im tiefsten Süden des Landes. Wein aus dem Roussillon ist in vielerlei Hinsicht faszinierend. Durch die Nähe zur spanischen Grenze sehen sich die Einheimischen kulturell eher als Teil von Katalonien. Die katalonische Flagge weht hier in vielen Hinterhöfen. Den unverwechselbaren Akzent versteht man selbst im Rest des Landes nur schwer. All das schenkt diesem Teil Frankreichs ein ganz besonderes Flair.
Vom Süßwein zum Terroirwein
Einst war die Region auch der bekannteste und angesehenste Süßweinproduzent im Land. Seit dem Mittelalter wird hier der berühmte Vin Doux Naturel – ein mit Alkohol versetzter, leicht angorener Traubensaft – erzeugt. Auch der Banylus aus getrockneten Trauben kommt aus dem Roussillon. Umso erstaunlicher, dass auch einige der genialsten und feinsten Rot- und Weißweine aus Sorten wie Macabeu, hellen und dunklen Grenache-Spielarten, Syrah oder Carignan von hier kommen. Die besten Weine aus dem Roussillon können so unglaublich saftig und kühl schmecken, dass man sie eher an der Nordrhône, dem Burgund oder gar an der Loire vermuten würde.
Die besten Weine aus dem Roussillon können so unglaublich saftig und kühl schmecken, dass man sie eher an der Nordrhône, dem Burgund oder gar an der Loire vermuten würde.
Von Alluvialböden in einigen Tälern bis hin zu Schieferformationen und viel Kalksteinfels reichen die Terroirs am Fuße der Pyrenäen. Dabei legen sich die Berge wie ein Amphitheater um die Rebstöcke der Ebenen, als würden sie ihnen all Ihre Aufmerksamkeit und Hingabe widmen. Die bis zu 325 Sonnentagen im Jahr ebnen den innovativen Winzern den Weg zum biologischen und biodynamischen Weinbau. Durch warme Winde im Sommer wird das Blattwerk der Reben trocken gehalten und vor Pilzen und Schädlingen bewahrt. Zudem sind die steilen Hänge und erodierenden Berge kaum mit Maschinen zu bändigen, sodass die Arbeit meist nur händisch umgesetzt werden kann. Durch die weitgehende Sommertrockenheit müssen sich die Reben tief in die steinige Erde graben, um an Wasserreserven aus den Wintern zu gelangen. Dies macht die Reben zwar weniger ertragreich, führt aber zu hoher Qualität und sattem Extrakt und bei den Besten eben auch zu einer erstaunlich feinen, kühlen Ader. Die Hochlagen am Fuße der Pyrenäen sind ein ganz eigener Kosmos.
Ein eigener Kosmos
Der Auswahl der Trauben sind nur wenige Grenzen gesetzt – generell ist hier im Wilden (Süd-)Westen (fast) alles erlaubt. Die freigeistige Biodynamiker-Garde rund um Gauby oder Les Enfants Sauvages denkt und macht Wein ohnehin seit jeher, ohne die Einschränkung sich an gängige Methoden zu halten. Vom Weinbau bis zum Ausbau regiert hier der Liberalismus – und dennoch zählt etwa Gaubys Coume Gineste zu den größten Weißweinen Frankreichs. Wenn indes mehr Genießer unter den Weinen des Roussillon auf der Suche nach Größe wären, müsste man für ihn sicher dieselben Höchstpreise bezahlen wie für Grands Crus aus dem Burgund oder 1ers in Bordeaux. Neben ganz großen Weiß- und Rotweinen, die ihr wildes Terroir widerspiegeln, gibt es hier allerdings auch ein Füllhorn an unglaublich preiswerten Zechweinen, deren mediterrane Süffigkeit schlicht genial ist und höchstens noch von der Rhône gematcht werden kann.
Manchmal können einem die Weine des Roussillon vorkommen wie von einem anderen Stern – und ein bisschen sind sie das wohl auch.
Die evidenten Parallelen zu den kühlen Terroirs der Nordrhône waren vielleicht am Ende auch ausschlaggebend, dass mit Chapoutier eine der legendärsten Domaines des Rhônetals eine Dependance im Roussillon aufgebaut hat. Auf Chapoutiers Bila-Haut entstehen von Urgesteinsböden einige der spannendsten Weine der Region, die teils in spektakulären, wunderschönen Weinbergen über einem der wildesten Abschnitte der Mittelmeerküste wachsen. Vom traumhaften Küstenort Collioure bis zum windigen Calce ist das Roussillon einfach sagenhaft komplex und trotz jahrhundertealter Weinbautradition und enger Verwandtschaft mit dem weinbaulich ebenso aufregenden Katalonien noch immer grenzüberschreitend unterschätzt. Manchmal können einem die Weine des Roussillon vorkommen wie von einem anderen Stern – und ein bisschen sind sie das wohl auch. Die Besten sind jedenfalls extraterrestrischer Stoff!