Die Provence ist die große Vielfalt, nicht eindeutig festzulegen, immer auch spannend bleibend, in der Landschaft wie im Wein.
Die Provence ist ein echter Sehnsuchtsort für Genussfreunde: Köstliche Mittelmeerküche gepaart mit delikaten Weinen aus lokalen Rebsorten, dazu die sonnenverwöhnte Landschaft mit ihren Lavendelfeldern und der so einzigartig duftenden Garrigue-Vegetation. In der Provence lässt es sich nach Herzenslust Schlemmen – die Weine der Region tragen dazu ganz entscheidend bei. Allen voran die weltberühmten Rosés der Region, die in den vergangenen 20 Jahren einen kometenhaften Aufstieg hingelegt haben. Aber auch die Rot- und Weißweine aus typischen provenzalischen Sorten können sich mehr als sehen lassen. Teilweise, wie etwa in Bandol, gehören sie zu den besten des gesamten Landes. Hinzu kommen fast in Vergessenheit geratene Weinbauschätze wie die alte Rotweinsorte Tibouren.
Rosarotes Wunder
Im Vergleich zur Nachbarregion im Westen, dem Languedoc, ist die Provence wesentlich kleinteiliger strukturiert – große industrielle Weingüter sucht man in der Gegend zwischen Arles, Marseille und Nizza vergeblich. Die Provence war nach der Reblauskrise Ende des 19. Jahrhunderts eher ein Ort für die bäuerliche Weinherstellung, für einfache, rustikale Rot-, Weiß- und Roséweine – fernab von jedem Glamour, der die Region heute speist. Der Tourismussektor hauchte der Provence nach dem Zweiten Weltkrieg Schritt für Schritt neues Leben ein. Mit Stars und Sternchen kam auch das Geld in die Region, kam die Sehnsucht der Reichen und Schönen nach einem eigenen Stückchen Provence. Nicht selten wurde das Geld in Weingüter investiert, die heute rausgeputzt und hochmodern den Lebenssaft der Region herstellen – den klassischen Provence-Rosé, der so sehr für die Region am Mittelmeer steht wie der Rotwein für das Bordelais. Die bekanntesten Produzenten der Provence, etwa das „Brangelina-Weingut“ Miraval (inzwischen nur noch Brad Pitt) oder das 2006 von Sacha Lichine gegründete Château d’Esclans, sind durch cleveres Marketing zu echten Topsellern auf dem weltweiten Weinmarkt geworden und gelten aufgrund ihrer beständig hohen Qualitäten als echte Botschafter des modernen provenzalischen Weinbaus.
Die weitläufigen Côtes de Provence
Die größten Weinbauflächen der Provence befinden sich in östlichen Teil der Region und erstrecken sich von den nördlichen Vororten Marseilles über die südlichen Kalksteinflanken der Montagne Ste-Victoire, entlang der Küstengebiete von Le Lavandou und St-Tropez in die subalpinen Regionen rund um Draguignan bis in eine kleine Exklave nördlich von Nizza, rund um die Stadt Villars. Diese zusammenhängende Appellation, die Côtes de Provence, sind ob ihrer enormen Vielfalt an Klimazonen, Terroirs und Rebsorten viel mehr als nur die Herzkammer des französischen Roséweins. Während im Norden der Appellation die Lese teilweise erst Anfang November startet, beginnt sie an der Küste meist schon im August. Teilweise findet man in den kühlsten Zonen der Provence sogar Pinot Noir, während im Süden klassische mediterrane Rotweinsorten wie Mourvèdre, Grenache, Syrah und Cinsault angebaut werden. Für die Weißen werden meist Rolle (Vermentino), Ugni Blanc, Clairette oder Grenache Blanc verwendet. Ebenso vielfältig sind die Böden an den Côtes de Provence: Im Hinterland findet man viel Kalkstein, an den Küsten oft Untergründe mit Schieferanteilen, durchzogen wird die Landschaft immer wieder von der typischen Garrigue-Vegetation.
Die Côtes de Provence sind vor einigen Jahren zur Keimzelle für den modernen provenzalischen Rosé geworden: knochentrocken und fein duftig, ideale Begleiter zur Kräuter-Knoblauch-Olivenöl-Küche der Region. Gleichzeitig findet man abseits dessen rund um Miraval, d’Esclans oder Galoupet auch alteingesessene Familienbetriebe, die mit ganz eigenen Weinstilen einen wunderbaren Gegenpol darstellen. Ein großartiges Beispiel ist Clos Cibonne, westlich von Toulon nahe der Küste gelegen. André Roux, der Clos Cibonne um die letzte Jahrhundertwende leitete, erkannte hier die wahre Größe einer alten provenzalischen Sorte – der Tibouren. Aus ihr entstehen auf Clos Cibonne köstliche Roséweine, die sich vom Gros der fruchtigen Rosés der Côtes de Provence deutlich abheben. Tief, salzig, würzig, kraftvoll, texturiert, nachhaltig. Durch einen langsamen Holzausbau und spät gelesene Trauben entstehen hier kraftvolle, aber stets rassige Weine mit südfranzösischer Seele.
Der Küsten-Klassiker Bandol
Fährt man von Clos Cibonne weiter gen Westen, erreicht man Bandol – eine 16 Kilometer lange, 1.500 Hektar große Appellation – die vielleicht bekannteste der gesamten Provence. Hier bringt die Mourvèdre im Angesicht der brennenden Mittelmeersonne einige der köstlichsten Rotweine Frankreichs hervor. Mindestens 50 Prozent muss ihr Anteil in den Cuvées betragen, mindestens acht Jahre müssen die Rebstöcke alt sein, mindestens 18 Monate müssen die Weine in Holzfässern lagern. Die besten Exemplare kommen von alteingesessenen Kultweingütern wie Domaine Tempier oder Château Pibarnon. Dicht, würzig, langlebig – Bandol ist der unbestrittene Star der roten Provence-Weine.
Große Vielfalt im Westen der Provence
Nördlich von Bandol erstreckt sich die Appellation Coteaux Varois, westlich davon schließt die bekanntere Region Coteaux d’Aix-en-Provence rund um den gleichnamigen Touristenort an. Noch weiter im Westen, an der Rhône, bildet die AOC Les Baux-de-Provence den Abschluss – hier hat das Kultweingut Domaine de Trévaillon ihren Sitz. In diesem Teil der Provence bläst der Mistral ordentlich durch die Weinreben – ein Unterschied zu den heißen Regionen an der Côte d’Azur. Kleine aufstrebende Appellationen wie das Weißwein-Kleinod Cassis, westlich von Bandol, treiben die Provence weiter voran und sorgen dafür, dass es in Frankreichs Südosten niemals langweilig wird. Klar ist: die Provence hat weitaus mehr zu bieten als nur knackig-frischen Rosé. Würzig-duftige Rotweine und grasig-ätherische Weißweine komplettieren das Ensemble und machen die Provence zu einer echten Allround-Region, getränkt mit einem einzigartigen mediterranen Flair, den man so nur hier entdecken kann.