Savennières ist die wohl legendärste Appellation der Loire. Seit Jahrhunderten entsteht am rechten Ufer des Flusses, westlich von Angers, ein einzigartiger, gänzlich eigentümlicher Weißwein. Bereits zu Zeiten von Napoleon war die kleine Appellation, die Hugh Johnson einst als »Hauslage von Angers« bezeichnete, eine berühmte Herkunft, damals vornehmlich süßer Weine. Heute steht Savennières für den vielleicht puristischsten Ausdruck der Rebsorte Chenin Blanc – kristallin, kraftvoll und knochentrocken, dicht strukturiert und dennoch irgendwo charmant und fein. Wer etwas Geduld mitbringt und mindestens 10 Jahre warten kann – so lange brauchen die meisten Weine der Appellation, bis sie ihre etwas ungestüme jugendliche Kantigkeit abgelegt haben – hat gute Chancen, in ungeahnte Genusshöhen katapultiert zu werden. Reifer Savennières ist ein unvergleichlich hedonistisches Erlebnis.
Savennières liegt innerhalb der Weinregion Anjou. Es ist die einzige Appellation in Anjou, die am rechten Ufer der Loire liegt. Deshalb steht in Savennières ein Großteil der Reben in Südexposition. Hervorragende Voraussetzungen, um die wärmenden Sonnenstrahlen im sonst milden, ja vergleichsweise kühlen Klima, bestmöglich zu nutzen.
Eine weitere Besonderheit in Savennières ist die Tatsache, dass ausschließlich Chenin Blanc in den Weinbergen angebaut wird.
Insgesamt sind es gerade einmal rund 150 Hektar, aufgeteilt auf die drei Gemeinden Savennières, Bouchemaine und La Possonnière. Nur 39 Erzeuger bewirtschaften die kargen Weinberge der Appellation. Besonderheit Nummer Drei ist die Geologie: Schiefer verschiedenster Ausprägung ist die Dominante in den Böden, dazu mischen sich Vulkangestein, Sand und Lehm. Messerscharfe Mineralität ist in Savennières im Grunde vorprogrammiert.
Zwei Weinberge haben in Savennières einen besonderen Status inne – beide sind vor einigen Jahren zu eigenständigen Appellationen befördert worden. Die erste ist die 33 Hektar große Lage Roche aux Moines, die von sieben Weingütern bewirtschaftet wird. Die andere ist La Coulée de Serrant – eine legendäre, sieben Hektar große Lage, die sich im Monopolbesitz von Château de la Roche-aux-Moines, dem Familienweingut von Biodynamie-Papst Nicolas Joly befindet. Auf grauem und braunem Schiefer mit Einschlüssen von Quartz entsteht einer der eigentümlichsten Weißweine der Welt. Und Liebhaber des typischen Joly-Stils sind sich sicher: auch einer der besten.
Es ist nicht zuletzt der unermüdlichen Arbeit von Nicolas Joly zu verdanken, dass Savennières heute wieder eine der gefragtesten und meistgeschätzten Appellationen Frankreichs ist. Nach dem zweiten Weltkrieg war es lange still um Savennières, die 70er-Jahre markierten den Höhepunkt der qualitativen Odyssee. Joly übernahm 1977 das Familienweingut, nachdem er zunächst Karriere als Investmentbanker in New York gemacht hatte. Bereits 1980 führte er – auf Anraten keiner geringeren als der Burgunder-Grande Dame Lalou Bize-Leroy – die biodynamische Bewirtschaftung seiner Weinberge ein. Schnell wurde er zur wohl prägendsten Figur der weltweiten Biodyn-Bewegung im Weinbau. Allmählich lebte der Mythos Savennières wieder auf.
Heute ist die Appellation ein Paradies für Liebhaber des Unkonventionellen – für Weine, die aus der uniformen Reihe tanzen.
Viele Winzerinnen und Winzer in Savennières haben ebenso wie Joly auf biodynamische Bewirtschaftung umgestellt oder arbeiten zumindest biologisch. Die Region ist heute wieder voller Dynamik!
Karg, knochentrocken, alkoholreich, in ihrer Struktur kraftvoll und fast schon adstringierend – so präsentiert sich ein klassischer junger Savennières. Auch in diesem Alter kann er großartig sein, auch wenn er dann am besten zu einem guten Essen getrunken wird. Mit Reife wird er milder, bekommt eine typische ätherische dunkle Honignote, die einen aus dem Glas anspringt und schon im Duft benebelt. Ein Stil, der polarisiert, der durchaus abschrecken kann. „Man liebt ihn oder man hasst ihn“ – nicht selten hört man diese Floskel im Zusammenhang mit Savennières. Nicolas Joly empfiehlt, seine Weine grundsätzlich 24 Stunden vor dem Genuss zu dekantieren. Am Ende erstaunt es daher nicht, dass in Savennières, beispielweise innerhalb des berühmten Roche aux Moines, immer öfter mit zwei Traditionen gebrochen wird: Neuholz spielt klassischerweise eher keine Rolle in Savennières, ebenso vermeiden Traditionalisten wie Joly oder die junge Domaine Fournier Longchamps wenn möglich eine Malolaktische Gärung. Modernisten brechen damit, zugunsten eines zugänglicheren, weicheren Stils. Eine Glaubensfrage, die etwas an jene im Piemont erinnert, nur auf deutlich kleinerem Grund.