Es gibt sie noch – die kleinen, feinen, versteckten Orte im Burgund, an denen es Weine zu entdecken gibt, die sonst fast niemand auf dem Schirm hat. Einer davon ist Irancy. Oft wird vergessen, dass der Weinbau im Burgund viel mehr umfasst als nur das Kernland zwischen Dijon und Mâcon. Klar – das Chablis, ganz im Norden, bildet eine Ausnahme. Ansonsten gilt die Weinkarte des Burgunds aber selbst für eingefleischte Bourgogne-Fans als weitgehend erschlossen. Irancy, ganz im Norden der Region in der Nähe von Auxerre gelegen, macht sich jedoch daran, dem Burgund einen neuen, spannenden Akzent zu verpassen.
Das Kleinod an der Yonne
Irancy liegt in der Weinregion „Grand Auxerrois“, ziemlich genau auf halbem Weg zwischen Paris und Dijon. Nur 20 Minuten Fahrt sind es mit dem Auto vom kleinen Dörfchen mit seinen rund 270 Einwohnern bis nach Chablis. Im Schatten der weltberühmten Appellation sind die Einheimischen hier im Département Yonne, benannt nach dem Fluss, der die Region durchfließt, weitestgehend unter sich. Industriegebiete sucht man vergeblich und auch Touristen verirren sich nur vereinzelt in diese Gegend Nordfrankreichs – der Wallfahrtsort Vézelay (neben Irancy und Saint-Bris eine der drei Village-Appellationen des Grand Auxerrois) bildet eine Ausnahme. In Dörfern wie Irancy scheint die Zeit hingegen ein wenig stehen geblieben zu sein: Die Landwirtschaft prägt das Leben der Einwohner, Rinder stehen in der Ebene, an den Hängen wird Weinbau betrieben. Das ist schon sehr lange so im Grand Auxerrois – die Gegend gilt als eine der ältesten Weinbauregionen Frankreichs. Fast in Vergessenheit sind die Weinberge südlich von Auxerre jedoch durch die Reblaus geraten, die hier besonders starke Zerstörungen angerichtet hat. Nur langsam haben sich die unzähligen kleinen Weindörfer davon erholt. Irancy hat es als eine der ersten in der Region geschafft, das Interesse der Weintrüffelschweine dieser Welt wieder auf sich zu ziehen.
Der rote Chablis
Kein Wunder, fällt Pinot Noir aus Irancy doch so genial frisch und gleichzeitig fest, pikant und würzig aus. Im Grunde ist er eine Art roter Chablis, den es nicht gibt, aber der vielleicht genauso schmecken könnte. Die Terroirs sind sich jedenfalls verblüffend ähnlich – helle Bodenschichten mit Kreide, Kalk und Ton (Kimmeridge) vermischen sich in Irancy zusätzlich mit einem Anteil braunem Kalk. Das macht die Weine dichter und strukturierter – auch die Weißen aus Irancy, die nur als Bourgogne Blanc verkauft werden dürfen, fallen etwas voller aus als die Pendants aus Chablis. In Blindproben könnte man manche Rotweine aus Irancy an die nördliche Côte de Beaune verorten. Qualitativ spielen die besten locker in dieser Liga mit. Man muss nur in die Weinberge rund um das Dorf schauen, um zu verstehen, welch großes Potenzial in diesem Terroir steckt: Unten die Dörfer, in der Mitte des Hangs auf 150 bis 300 Metern über dem Meer die Weinreben, auf den Hügelkuppen dann Wald. Dort wo hier die Reben stehen, steht man an der Côte d’Or mitten im Grand-Cru-Gebiet. Superb!
Alteingesessene Familienweingüter und weitgereiste Winzertalente
Bescheidenheit ist eine perfekte Beschreibung, wenn es um Irancy geht. Gerade einmal 300 Hektar Reben teilen sich auf die drei kleinen Dörfer Irancy, Cravant und Vincelottes auf, in denen der Wein der Village-Appellation gemacht werden darf. Die hügeligen Parzellen werden von unzähligen kleinen Weinbaubetrieben bewirtschaftet. Oft sind es alte Familienweingüter, die vereinzelt sogar noch die hier heimische, würzig-dunkle Sorte César anbauen. Teilweise verlieben sich jedoch auch weitgereiste Winzertalente in die Region, so wie es bei Grégory Viennois von der Domaine de la Chapelle der Fall war. Seine Weine, auf die längst das Who-is-who der internationalen Weinkritik aufmerksam geworden ist, stehen mittlerweile ganz oben in der Appellation und damit spielen sie auch in der Oberliga des gesamten Burgunds mit. Saftig-frische, Kirschfrucht-getriebene Pinots voller Eleganz und Spannung – Irancy ist genau hierfür ein Eldorado. Und das Beste: noch immer sind sie ein unschlagbarer Geheimtipp.