Die kryptischen Lagen der Weine des Burgunds zu verstehen mag manchem Weingenießer vorkommen wie eine Lebensaufgabe – und vielleicht ist es das auch.
Mönche, Könige, Herzöge, Kriege, Weinhändler, Lokalpolitiker und viele andere haben die komplexe Struktur der Weinberge und deren Klassifizierung geprägt. Dennoch ist sie alles andere als willkürlich. Im Gegenteil – ihr liegt eine lange und bewegte Entwicklung zugrunde, die sich heute als Vorbild für »Terroir- und Einzellagenweine« weltweit etabliert hat. Wein aus dem Burgund ist so angesagt wie nie zuvor – das liegt auch an den speziellen Eigenheiten dieser spannenden und hoch komplexen Region.
Die Burgunder verstehen das Terroir als Seele ihrer Weine. Es definiert sich über die traditionelle Weinkultur des Ortes und deren Arbeitsweisen, das Klima, die Landschaft und ultimativ vor allem eines: ein fest umrissenes Stück Land, in das die Reben ihre Wurzeln treiben. Schon vor mehr als 1000 Jahren schrieben die Benediktinermönche von Cluny, Saint-Vivant und anderen Klöstern anhand von peniblen Beobachtungen und überlieferten Erfahrungswerten erste Kartographierungen und Klassifizierungen von Weinlagen fest. Vom Burgund aus trugen sie nicht nur die Kunst des Weinmachens, sondern auch ihre intimen Kenntnisse zur Wahl des Standorts als Schlüsselfaktor für die Weinqualität hinaus in die Welt.
Dieses standort-fokussierte Verständnis des Weines hat über die letzten Jahrhunderte dazu geführt, dass im Burgund jede Gemeinde einen eigenen Weincharakter herausgearbeitet hat. Gevrey-Chambertin im Norden steht für eine kernige Struktur und immense Lagerfähigkeit, wohingegen Chambolle-Musigny ein paar Orte weiter südlich als Inbegriff für Finesse und Zartheit steht. Die besten Lagen jedes Ortes sind als Premiers beziehungsweise Grands Crus eingestuft. Letztere machen gerade einmal ein paar wenige Prozent der Anbaufläche der Region aus. Im Burgund beschränken sich die Grands Crus wirklich nur auf die wenigen allerbesten Einzellagen. Hier wachsen die rarsten und folglich auch teuersten Weine des Burgunds. Es ist heute keine Seltenheit mehr, dass auch mal über Zehntausend Euro für eine Flasche Burgunder Grand Cru bezahlt werden.
Umso erfreulicher ist es, dass zuletzt auch das südliche Burgund – die Côte Chalonnaise und das Mâconnais – zu einem allzeitlichen Qualitätshoch auflaufen.
Denn die Preisexplosion vieler sündhaft teurer Burgunder Weine lässt uns Weintrüffelschweine verstärkt in den Randappellationen auf die Suche nach Insiderstoff gehen.
Klar, die Côte Chalonnaise und das Mâconnais stehen seit jeher im Schatten der berühmteren Côte d’Or. Doch das weite Hügelland im Süden des Burgunds ist nicht nur landschaftlich viel schöner, sondern bietet auch eine viel facettenreichere Weinwelt als etwa die Côte de Beaune.
Die Böden hier sind hoch komplex: von Kalkstein und Lehm über Schiefer und Urgestein findet sich alles und noch viel mehr. Blauschiefer und Vulkangestein – wer würde das mit dem Burgund verbinden?!
...denn hier hat in den letzten Jahren eine atemberaubende Qualitätsoffensive stattgefunden, die jener an der Côte d’Or in nichts nachsteht. Die Weine des Burgunds sind heute so gut wie nie zuvor – und zwar auf der gesamten Fläche der Region. Das spiegelt sich nicht zuletzt in den Top-Ratings aller wichtigen Kritiker wider. Zahlreiche der bestbewerteten Weine des Burgunds kommen mittlerweile aus dem Mâconnais. Die Preisentwicklung ist dabei »noch« moderat – ein absolutes Mekka für Insider und Eingeweihte.
Dabei darf man nicht vergessen, dass auch der aller südlichste Zipfel des Burgunds, das Beaujolais, wo die Region an das Rhônetal andockt, offiziell noch zu den Weinen des Burgunds zählt.
Historisch war sie einst in der gesamten Region sehr bedeutend, wurde aber von einem mittelalterlichen Herrscher weitgehend von der Côte d’Or verbannt. Auch das Beaujolais profitiert in der Spitze von einem ausgefeilterem Weinbau und sonnigeren Jahrgängen. Die Weine changieren stilistisch irgendwo zwischen Grenache von der Rhône in heißen Jahren und kühlerem Pinot Noir des Nordens in kälteren Jahren. Was dabei die wenigsten Fans der Weine des Burgunds auf dem Radar haben: Top-Beaujolais können ebenso gut reifen wie Burgunder aus Pinot Noir.
Vom nördlichen Chablis, das an die Champagne angrenzt, über die berühmte Côte d’Or und die südlichen Hügelländer sind die Weine des Burgunds sagenhaft vielfältig. Von den besten Chardonnays und Pinot Noirs der Welt bis hin zu feinfruchtigen Alltagsweinen gibt es in diesem Mosaik aus Ortschaften und Weinlagen so viel mehr zu entdecken als man glauben mag. Wein aus dem Burgund ist zurecht so gefeiert und gefragt wie nie!