Bei der Region Sauternes handelt sich um eine der wenigen Süßwein-Appellationen dieser Weinwelt. Sie beinhaltet die fünf Gemeinden Sauternes, Barsac, Preignac, Bommes und Fargues, von denen im Prinzip nur die beiden ersten wirklich bedeutend sind. Die Region befindet sich am linken Ufer des großen Bordeaux. Da ploppt eigentlich sofort die Farbe Rot auf. So ein tiefes, fast ins Violett gehendes Rot. Das Gebiet ist aber eben auch für helle bis goldgelbe Weine berühmt, zumindest ganz im Süden vom linksufrigen Graves. Dort befinden sich nämlich Barsac und Sauternes, von denen letzteres ungefähr fünfmal größer ist als das erstgenannte. Beide produzieren eine einzigartige Weinstilisitk, die nur unter den dort vorherrschenden Bedingungen möglich ist. Wobei man sagt, dass Barsac ein wenig leichter daherkommt. Angebaut werden überwiegend Semillon und Sauvignon Blanc, zudem noch Muscadelle auf Böden aus Kalk und feinem Kiesel.
Poesie in Goldgelb
Das wichtige Stichwort heißt hier »Edelfäule«. Sie klingt wie ein Oxymoron und bewirkt so fast einen inneren Widerspruch, der die beeindruckende Wirkung allein des Wortlauts noch verstärkt. Sowohl edel als auch faul trifft es vielleicht noch besser. Eine Kombination aus etwas unfassbar Wertvollem und einer Laune der Natur, die ein Produkt in positiver und Geschmack gebender Weise verändert. Oder man nennt es einfach bewusst schimmelige Rosinen, was zwar durchaus stimmt, aber dem Phänomen der Region Sauternes nicht ansatzweise gerecht wird.
Veredelung
In Barsac fließt die kalte Ciron als linker Nebenfluss in die warme Garonne, welcher dort linkes und rechtes Ufer von Bordeaux trennt, und schafft ein unverwechselbares Mikroklima mit gewissen Nebeneffekten. Der herbstliche, durch die Wechselwirkung der beiden Flüsse entstehende morgendliche Nebel begünstigt die Entwicklung der botrytis cinerea, pourriture noble oder auch Edelfäule. Es handelt sich dabei um einen Pilz, welcher sich in genau solchen Umgebungen pudelwohl fühlt und die reifen Trauben befällt. Auf einen Befall hoffen die Winzer Sauternes jährlich - und sie bangen um ihn, wenn er droht auszubleiben. Das birgt natürlich ein hohes Risiko. Durch seine Enzyme perforiert der Powerpilz die Traubenschale, und die Feuchtigkeit in der Beere verdunstet. Was dann passiert, ist, dass sich alle Inhalte der Trauben extrem verdichten und sich das Aromen-Bild sowie die Säurestruktur auf beeindruckende Weise verändern. In der Kombination mit windigen und sonnigen Nachmittagen entsteht hier ein Terroir, welches die Trauben rosinieren und veredeln lässt. Zum Lesezeitpunkt werden nur die am stärksten vertrockneten Trauben auserwählt. Dies erfordert eine extrem aufwendige manuelle Lese in mehreren Durchgängen, in der Regel zwischen vier und sechs an der Zahl. Die Beeren müssen penibelst selektiert werden, da keine beschädigten Exemplare in das Lesegut wandern dürfen. Der Vorgang zieht sich am Ende etwa zwei Monate lang hin. Der Höchstertrag von 25 hl/ha wird bei der geringen Outputmenge oft gar nicht erreicht. Dennoch eine Mühe, die sich lohnt und einen der qualitativ hochwertigsten Weine der Welt hervorbringt.
Synonym von Licht und Unendlichkeit
Ein Qualitätssystem innerhalb der Region wurde 1855 beschlossen. Sauternes und Barsac besitzen zusammen 27 Crus, welche zusammen 40% der Rebflächen der Region ausmachen. Davon fallen 15 unter die Kategorie Seconde Crus Classé und 11 unter Premier Crus Classé. Einer davon ist der Chateau la Tour Blanche. Dessen Maxime ist es, eine perfekte Balance zu schaffen zwischen Intensität und Frische. Durch eine perfekt ausgefeilte Cuvée mit einem Hauch Muscadelle, die zu ultrakomplexen Aromen von Honig, kandierten Früchten und weißen Blüten der beiden anderen Rebsorten einen Hauch Exotik beiträgt, erschafft das Chateau einen herausragenden Süßwein. Kombiniert mit Gänseleber katapultiert er einen in den kulinarischen Himmel. Außerdem arbeitet das Weingut nach biologischen Richtlinien und achtet streng auf Nachhaltigkeit und verantwortungsvolle Arbeit.
On top triumphiert der einzige Premier Crus Classé Supérieur überhaupt, den das Chateau d’Yquem innehat. Ein Wein, welcher von Frédéric Dard als Licht beschrieben wird, das man trinken kann. Er wird also assoziiert mit strahlenden, feinen und überirdischen Aromen. Er besteht aus etwa 80% Semillon und 20% Sauvignon Blanc. Ah, Moment! »Wein«, so der Schriftsteller, solle man den d’Yquem eigentlich gar nicht nennen. Er verdiene mehr die Bezeichnung Nektar. Im Mund dicht und viskos. Sirupartig und den Gaumen mit seiner Brillanz überziehend. Das Öffnen einer Flasche d’Yquem ist ein Erlebnis. Ein unnachahmlicher Duft, welcher aus getrockneten Aprikosen und Pflaumen, Vanille-Noten durch die Lagerung im Barrique oder auch floralem, leichtfüßigem Blütenduft sowie Gewürzen wie Lakritz oder Zimt besteht, befindet sich in einer der jährlich produzierten 95.000 Flaschen und variiert mit jedem Jahrgang und natürlich dem Zeitpunkt, wann man entscheidet, sich dem Genuss des 1er Grand Crus Supérieur hinzugeben.
Auch trocken ein Hochgenuss
Ja, vielleicht ist es Hingabe und Sinnlichkeit, die den Sauternes beschreiben. Um absolute Vollkommenheit geht es bei dem trockenen Wein des Chateaus, dem “Y”, der seit 1956 erzeugt wird. Die Kombination aus perfekt reifem Sauvignon Blanc und Semillon, welcher gerade beginnt Edelfäule zu entwickeln, wird vergoren. Davon findet das Ende der Fermentation in Fässern statt, von denen ein Drittel neu ist. Regelmäßig wird die Hefe aufgerührt und nach 10 Monaten wird die finale Cuvée vermählt. Bei 10.000 jährlich produzierten Flaschen ist es wie ein kleiner flüssiger Schatz, wenn man denn davon eine Flasche im Keller hat. Apropos Keller: Da kann dieser, aber besonders die süßen Sauternes, lange lagern. Ewig lagern. Wirklich. Ewig. Licht wird ja auch nicht alt, oder?