Wer hier einen rustikalen Kraftprotz erwartet, bekommt stattdessen saftige, dichte Weine mit reifer Frucht, kühlem Kern und erstaunlich viel Finesse. Zwar ein klassischer Bordeaux, ja, aber einer mit klarer Handschrift und elegantem Understatement. Mit einer Geschichte, die bis ins Jahr 1452 zurückreicht, zählt Château de Pez, gemeinsam mit Calon Segur, zu den ältesten Gütern der Appellation. Gegründet wurde de Pez von der Pontac Familie, die unter anderem auch Château Haut-Brion gründete und eine der einflussreichsten Dynastien der Bordelaiser Wein Geschichte sind. Seit 1995 gehört das knapp 35 Hektar große Gut, davon etwa 25 Hektar mit Reben bestockt, zu Louis Roederer, dem legendären Haus aus der Champagne. Das besondere an Roederer ist, dass es als eines der letzten großen Champagnerhäuser noch in Familienbesitz ist und somit jedes Projekt nicht nur aus Geld oder Prestige Gründen, sondern auch aus persönlichem Interesse geprägt wird. Und so wurde auch de Pez 1995 nicht etwa aus Prestige Gründen von dem damaligen Leiter von Louis Roederer, Jean-Claude Rouzaud, übernommen, denn de Pez ist nicht klassifiziert, sondern aufgrund seines Glaubens an das Terroir und der ins Glas transportierten Kraft der Weine, die bereits damals zu spüren war.
Eine „schlafende Schönheit“, wie es Rouzaud nannte, die nun mit viel Einsatz behutsam wachgeküsst wurde.
Denn seit der Übernahme wurde das Weingut von Grund auf neu gedacht, ohne dabei die Wurzeln des historischen Château zu vergessen. Dass de Pez dabei nicht nur Wein produziert, sondern langfristig denkt, zeigt sich in vielen Details. Es wird zwischen den Rebzeilen begrünt, gedüngt wird nur noch organisch und es werden Maßnahmen zum Erhalt der Biodiversität getroffen, etwa durch das Pflanzen von Hecken als ökologische Korridore oder das Aufstellen von Bienenstöcken. Der Umbau der Kellerei inklusive neuer Gärtanks in unterschiedlichen Größen ermöglicht eine separate Vinifikation jeder Parzelle. Das Ziel ist klar: Reife Tannine mit seidiger Struktur, Frucht, die nicht laut, nicht aufdringlich, sondern eingebunden ist, und eine Tiefe, die eher schmeichelnd als fordernd wirkt. Ausgebaut wird in Barriques, von denen rund 40 Prozent jährlich erneuert werden, also spürbarem, aber nie dominierendem Holzeinsatz. Die Böden bestehen aus einer rund einen Meter dicken Kiesauflage über tonhaltigem Untergrund, ideal für eine tiefe Durchwurzelung und perfekte Drainage. Die Lage von de Pez ist durch die Nähe zur Gironde gut vor Frost geschützt, gut belüftet und hat somit beste Bedingungen für gesunde Reben. Angebaut wird etwa zur Hälfte Cabernet Sauvignon, zur anderen Hälfte Merlot, ergänzt durch kleine Anteile Petit Verdot und Cabernet Franc. Gelesen wird selbstverständlich von Hand.
Der Stil von de Pez ist klar Saint-Estèphe, aber eben modern interpretiert: Weniger rustikal, dafür mit Fokus auf Balance, Saftigkeit und Finesse.
Man spürt den Anspruch, den das Team an sich selbst stellt und gleichzeitig auch den Respekt gegenüber dem Terroir. Und die Früchte der langen Arbeit werden nun geerntet, Château de Pez gilt heute längst nicht mehr als Außenseiter, sondern unter Insidern als stabile Größe in der Appellation. Ausdrucksstark, strukturiert, dabei geschmeidig und tief. Oder wie Rouzaud sagte: Ein Wein, der das Potenzial hat, zu einem echten Grand Cru zu reifen.