Der direkte Nachbar von Vieux Chateau Certan mit fast identischem Terroir. Wen wundert es da, dass die Eleganz-Ausprägung und Rebsortenzusammensetzung im Wein sehr ähnlich ist?
70 Prozent Merlot, 25 Prozent Cabernet Franc und 5 Prozent Cabernet Sauvignon stehen auf den Rebflächen von Certan de May, das spiegelt sich auch jedes Jahr in der Cuvée wieder und verbindet sich zu einer Symbiose des Genusses: Kraftvoll, strukturiert und zugleich seidig saftig, welch ein Gaumenschmaus. Wie die floralen und frischen Noten der fleischigen Frucht jedes Jahr aufs Neue die Waage halten, ist fast schon absurd. Würzige Noten geben dem Ganzen eine tiefere Ebene und runden es zu einer herrlichen Gesamtkomposition ab. Meist sind die Weine von Certan de May ähnlich mineralisch, aber nicht ganz so extraterrestrisch fein wie der Nachbar Vieux Chateau Certan und nicht so mystisch verwoben und kräftig wie Petrus, sondern best of both worlds. Auch wenn die beiden Nachbarn auf dem qualitativen Level ihrer extremen Abgehobenheit sicher noch über Certan de May stehen.
Zwischen den großen Namen der Nachbarn mausert sich Certan de May seit Jahren zum nächsten großen Sternchen am Firmament von Pomerol.
Die Familie de May bekam das Château bereits im 16. Jahrhundert geschenkt, seit dem 18. Jahrhundert ist der Weinbau hier belegt und seit über 100 Jahren ist das Château im Besitz der Familie Barreau-Bader. Die Leitung des Weinguts übernahm vor einigen Jahren die Familie Moueix, seitdem ist die Qualität nochmal gestiegen.
Als führender Berater ist seit 2013 Jean-Claude Berrouet engagiert, der auch leitender Önologe für Pétrus ist, das sich ja im Besitz der Familie Moueix befindet. Der Ehrgeiz, Certan de May auf ein qualitativ höheres Level zu heben, ist durchaus spürbar, das Terroir lässt das auch durchaus zu. Die im Schnitt über 40 Jahre alten Reben stehen auf besten Kiesböden mit Lehmunterlage, für die Pomerol so berühmt ist. Gelesen wird selbstverständlich per Hand, Beeren werden bereits im Weinberg und danach nochmal im Weingut aussortiert und die Weine lagern nach der Gärung für 16-20 Monate in besten Barriques aus französischer Eiche mit einem Neuholzanteil von 80 Prozent. Aus diesen traumhaften Bedingungen entsteht ein erstklassiger Wein.
Fruchtig, opulent und dennoch fokussiert und mineralisch beschreibt die innere Balance von Certan de May wahrscheinlich am besten.
In manchen Jahren ist der Wein sogar eher filigran und elegant, dabei immer mit einer top Struktur und maximal komplex, ohne dabei zu verschlossen zu sein. Das komplexe Geschmacksspektrum geht aber eher in die Tiefe und wird nicht zu ausladend, sperrig oder breit. Im Gegensatz zu seinen Nachbarn ist Certan de May oft schon früher zugänglich, aber mit ebenso langem Reifepotential und dabei um einiges günstiger. Ein wahrlich großer Pomerol.