Zuallererst möchte ich anhand von Lynch Bages auf einen massiven Fehler in der Klassifikation des linken Ufers hinweisen: Sie ist seit 1855, bis auf eine Ausnahme, nicht geändert worden. Somit ist Lynch Bages, ein Weingut, welches zu den besten des Médoc gehört, seit 1855 ein Cinquième Grand Cru Classé, bewegt sich aber bereits seit Jahrzehnten auf dem Niveau eines Deuxième Grand Cru Classé. Das ist zwar ungerecht, kann uns Weintrinker allerdings freuen, da die Weine im Schnitt günstiger sind als die von qualitativ vergleichbaren Châteaux.
Die Weine von Lynch Bages sind langlebig, opulent und mit enormer Aromenvielfalt, die sich aber überwiegend im schwarzfruchtigen Bereich abspielt, typische Pauillac Weine eben. In letzter Zeit wurden die Weine allerdings wie bei den meisten Nachbarn etwas weicher und feiner, sind damit auch in der Regel etwas früher zugänglich. Bereits im 16. Jahrhundert wurde der Weinbau auf der Fläche von Château Lynch Bages erwähnt, im 18. Jahrhundert wurde der Besitz geteilt zu Lynch Moussas und Lynch Bages. Seit 1934 ist Lynch Bages im Besitz der Familie Cazes.
Lynch Bages ist über 100 Hektar groß, selbst für Bordeaux Verhältnisse und dabei extrem klein parzelliert, obwohl der Großteil an Rebfläche am Stück ist. Das erlaubt eine Auslese der besten Parzellen für den Grand Vin. Obwohl die restlichen Parzellen ebenfalls hervorragend sind, werden für den Grand Vin von Lynch Bages nur die besten Fässer der besten Parzellen genutzt.
Die roten Rebsorten teilen sich in 71 Prozent Cabernet Sauvignon, 22 Prozent Merlot, 4 Prozent Cabernet Franc und 3 Prozent Petit Verdot auf. Die Cabernet Sauvignon Parzellen liegen hauptsächlich um das Château Lynch Bages selbst, etwas weiter landeinwärts und nicht direkt an der Gironde. Die Merlot-Parzellen liegen meist näher am Wald oder an der Gironde, da ihnen die etwas kühlere Luft gut tut und sie nicht so viel Wärme brauchen wie der Cabernet Sauvignon. Die Abschnitte für Weißwein liegen etwas entfernt, hinter dem Waldstück, das Pauillac abgrenzt, schon Richtung Nationalpark und großem Wald und sind daher kühler. Dies kommt dem Blanc de Lynch Bages sehr zugute, da der Wein dadurch eine schöne Frische behält, was bei vielen weißen Bordeaux-Weinen aufgrund der Lage der Weinberge nicht möglich ist. Die weißen Rebsorten Sauvignon Blanc, Sémillon und Muscadet wachsen auf etwa 4 Hektar der Rebfläche von Lynch Bages. Der Weißwein Blanc de Lynch Bages wird nur in (für Bordeaux-Verhältnisse) minimalen Mengen produziert, ist einer der begehrtesten Weißweine des Bordelais und wird nur aus einer extremen Selektion der besten Weißweinpartien in den bereits erwähnten kühleren Lagen gekeltert. Den Wein macht eine gewisse Frische und Säure aus, die sich durch die kühlen Lagen und den relativ hohen Sauvignon Blanc Anteil erklärt.
Die Böden von Lynch Bages bestehen aus dickem Kies und Sand, unter dem sich eine Kalkschicht befindet, die die Reben dazu anregt, tief in den sandigen und steinigen Boden einzudringen, um die Nährstoffreserven der Kalkschicht zu erreichen. Obwohl das Terroir recht homogen ist, wird bei Lynch Bages alles unternommen, um die Qualität zu optimieren und so sind die 100 Hektar in etwa 200 Parzellen unterteilt, die sich, wenn auch nur gering, unterscheiden. Diese Parzellen werden dann, falls die Weinberge erneuert werden, den jeweilig perfekt darauf abgestimmten Rebsorten neu zugewiesen, wenn sie nicht bereits perfekt besetzt sind. Zudem wird mit der Parzellierung die Ernte bei perfektem Reifestatus vereinfacht, da alle Parzellen, obwohl sie Teil des großen Ganzen sind, als Individuen behandelt werden.
Die Lese bei Lynch Bages wird per Hand durchgeführt, es gibt eine grobe Sortierung beim Lesen, danach erfolgt eine zweite Selektion im Weinberg auf mobilen Sortiertischen und sobald die Trauben im Weingut ankommen und entrappt wurden, werden die Beeren ein drittes Mal ausgelesen. Eine unfassbare Arbeit, aber der Aufwand lohnt sich.
Durch die neue Kelterhalle muss nicht gepumpt werden, alles läuft über Schwerkraft. Vergoren wird in 80 Edelstahltanks. Diese vielen Tanks sind nötig, um die Parzellen für die Gärung so homogen wie möglich aufzuteilen. Der Barrique Keller ist so groß, dass zwei Jahrgänge gleichzeitig in ihm reifen können. Der »Gärkeller« ist bei Lynch Bages eher eine Halle. Lichtdurchflutet, architektonisch so designed, dass kaum Energie für Licht verwendet werden muss. Das Glas der riesigen Fenster ist UV-beständig und schützt die Halle vor möglichen negativen Einflüssen der Sonne. Die Fasskeller, in denen die Weine reifen, sind unterirdisch und so gestaltet, dass die Temperatur ohne zusätzliche Kühlelemente gleichbleibend ist. Die jüngeren Parzellen werden später gelesen und kommen in den Zweitwein »Echo de Lynch Bages«, damit auch dieser eine gewisse Fülle bekommt. Die Fässer, die die strenge Auswahl für den Grand Vin nicht bestehen, werden ebenfalls für den Echo de Lynch Bages verwendet.
Das Mikroklima wird begünstigt durch den Wald von Landes, den Atlantik und die Gironde. Kalte Winter, wenig Frost, regenreicher Frühling, warme Sommer und ein sonniger Herbst sind ideale Bedingungen, um große Weine zu produzieren.
2018 wurde Château Lynch-Bages vom französischen Landwirtschaftsministerium für seine umweltschonende Arbeitsweise zertifiziert: Erhaltung der Biodiversität, Pflanzenschutzstrategien, Düngemittelmanagement und Wassermanagement. Letztlich geht es um die langfristige Existenzsicherung, denn die Besonderheiten des Terroirs müssen geschützt werden, um sie zu erhalten und auch in Zukunft terroirgeprägte Weine zu erzeugen.