Margaux – südlichster Star des Médocs
Rund 45 Autominuten benötigt man vom Stadtzentrum von Bordeaux bis nach Margaux. Es ist die erste der sechs Gemeinde-Appellationen, die im Haut-Médoc liegen, dem unteren Teil des Médocs. Anders als in Moulis, Listrac, Saint-Julien, Pauillac und Saint-Estèphe beschränkt sich die Rebfläche in Margaux nicht ausschließlich auf eine einzige Gemeinde. Die 1.400 Hektar Reben rund um das verschlafene Örtchen teilen sich außerdem auf die Dörfer Cantenac, Soussans, Labarde und Arsac auf. Die Besonderheit in diesem südlichen Abschnitt des Haut-Médocs sind die leichten, kiesigen Böden, mit Sand- und Kalkanteilen. Die besten Parzellen liegen auf sanften Kieskuppen, wo Exposition und Drainage besonders gut sind. Cabernet Sauvignon fühlt sich dort ausgesprochen wohl. Merlot sowie etwas Cabernet Franc und Petit Verdot komplettieren die Palette in Margaux bei den roten Sorten. Etwas Weißwein wird auch angebaut, vor allem Sauvignon Blanc, der aber nur als Bordeaux AC vermarktet werden darf.
Die Feinheit und Finesse von Margaux waren schon 1855 bei der Klassifizierung der besten Weingüter des linken Ufers ein durchschlagendes Argument
Château Margaux – das Aushängeschild
Die Feinheit und Finesse von Margaux waren schon 1855 bei der Klassifizierung der besten Weingüter des linken Ufers ein durchschlagendes Argument – keine Appellation wurde mehr gewürdigt. Mehr als ein Drittel der 61 klassifizierten Châteaux stammt aus Margaux, darunter zwei 5ème Cru, drei 4ème Cru, zehn 3ème Cru, fünf 2ème Cru sowie ein Premier Cru: Château Margaux. Unbestritten ist Château Margaux das Aushängeschild und noch immer der Maßstab der Appellation: Nie sind die Weine derb oder wuchtig, sondern vielmehr der Gipfel der Finesse im Médoc. André Mentzelopoulus, der Vater der aktuellen Besitzerin Corinne, kaufte 1977 das damals ramponierte Château für 60 Millionen Francs und investierte in der Folge Unsummen in das Schloss mit den charakteristischen Platanenalleen. Das endgültige Comeback besiegelte man dann 1983 mit der Ernennung von Paul Pontallier zum Geschäftsführer. Seitdem jagt ein unvergesslicher Margaux-Jahrgang den nächsten. Und dabei ist es immer wieder erstaunlich, wie sehr Margaux auf der unendlich feinen Frucht läuft, obwohl der Cabernet-Sauvignon-Anteil seit einigen Jahren bei etwa 90 Prozent liegt. Neben dem Grand Vin macht Château Margaux auch den Zweitwein Pavillon Rouge, der aber aus eigenen Parzellen kommt und keine Fassselektion ist, sowie den sündhaften Pavillon Blanc aus 100 Prozent Sauvignon Blanc.
Wetteifern in Liga 2
Während Margaux ab den 80er Jahren qualitativ in immer neue Sphären aufstieg, wurde gleichzeitig der Abstand zur zweiten Liga in Margaux immer deutlicher. Vor allem die Deuxième Crus fielen teils weit hinter Margaux zurück. Nach Jahren der Restauration erleben sie aber mittlerweile ein Revival. So auch Durfort-Vivens, das biodynamische Château von Gonzague Lurton, dem Ehemann von Claire Villars-Lurton, die mit Ferrière und La Gurgue zwei Biodyn-Kleinode in Margaux führt. Gonzague Lurton hat auf Durfort-Vivens in den letzten Jahren mächtig in Dichtpflanzung, Amphoren und Betoneier investiert, um die 30 Hektar wieder auf 2ème-Cru-Niveau zu heben. Die neuesten Jahrgänge lassen aufhorchen. Auch die 2èmes Lascombes und Brane Cantenac finden langsam wieder zu alter Stärke, Rauzan-Ségla hat in den vergangenen Jahren die große Bühne zurückerobert und sich zum ersten Verfolger von Château Palmer und Château Margaux gemausert.
Shootingstar Palmer
Stichwort Palmer: Das 66-Hektar-Gut ist seit einiger Zeit neben Château Margaux der Star der Appellation und oft viel besser als sein in Stein gemeißelter Status als 3ème Cru. Beim Nachbarn von Rauzan-Ségla verfolgt man einen ganz unverkennbaren Stil, der sich oft in einem extrem duftigen Bouquet ausdrückt. Seit 2014 ist Palmer Demeter zertifiziert – ein weiterer Beweis dafür, welche Rolle die nachhaltige Bewirtschaftung bei den großen Namen in Bordeaux mittlerweile spielt. Im Weinberg ist Château Palmer bei einer Pflanzdichte von 10.000 Stöcken pro Hektar angekommen, zwei Hektar sind sogar mit 20.000 Pflanzen bestückt, bei gleichem Gesamtertrag je Hektar. Dort kommt man auf nur 3 kleine Träubchen und ein Gesamtgewicht von unter 300 Gramm pro Pflanze.
Margaux für jeden Tag
Margaux bietet darüber hinaus auch sagenhaft gute Weine für den Alltagsspaß. Sie werden vor allem auf Weingütern gemacht, die nicht in den Genuss des Cru-Status kamen, aber teilweise locker mit den klassifizierten Châteaux mithalten können. Dazu gehört Château Deyrem Valentin, ein Cru Bourgeois Supérieure, welches sich seit 1928 im Besitz der Familie Sorge befindet. Es liegt mitten in Margaux auf Sand und Kies und bietet richtig starke Weine für vergleichsweise kleines Geld – einfach ein Superschnäppchen, wenn man bedenkt, welche Preise man rundherum in Margaux auf den Tisch legen muss. Beraten wird Deyrem Valentin von Hubert de Boüard, dem Besitzer von Château Angélus in Saint-Émilion. Auch La Tour de Bessan in Soussas, auf dem Marie-Laure Lurton als Regisseurin wirkt, bietet fabelhafte Weine abseits der Cru-Klassifikation. Gleiches gilt für Château Monbrison der Familie Vonderheyden in Arsac und für Château Siran im Herzen von Margaux.
Ohne Margaux bliebe in Bordeaux eine große Lücke unbesetzt. Margaux bereichert das Spektrum der Médoc-Weine ungemein, denn es bildet am linken Ufer das Gegenstück zu kraftvolleren Appellationen wie Pauillac und Saint-Estèphe. Margaux ist schlichtweg ein Charmeur voller Spannung und Energie. Immer aufregend, immer geschmackvoll, nie anstrengend, nie bieder. Und das beste: Schon die Einstiegsweine bieten in Margaux das was Margaux ausmacht: pure Eleganz und Finesse.