Die Rebflächen des Haut-Médoc schmiegen sich an die berühmtesten Weinbaugemeinden der Médoc-Halbinsel an.
Während Margaux, Pauillac und Co. einen Sonderstatus in Sachen Renommée besitzen, geht es im Haut-Médoc unprätentiöser zu. Qualitativ müssen sich die Weingüter des Haut-Médoc aber längst nicht hinter den großen Namen verstecken, denn seit Jahrzehnten wird hier alles dafür getan, den Abstand zu den großen Namen auf ein Minimum zu reduzieren.
Und dabei bekommt man im Haut-Médoc den Bordeaux-Genuss auf ganz hohem Niveau für einen Bruchteil des Geldes, das man teilweise in den Top-Appellationen auf den Tisch legen kann. Kleine, ehemals unbekannte Châteaux haben in den vergangenen Jahren den Sprung in die Topklasse des linken Ufers geschafft und ein ganzer Schwung Weingüter ist auf dem besten Weg dorthin. Sie machen das Haut-Médoc zu einem Eldorado für Bordeaux-Trüffelschweine – überall lauern Überraschungen der feinsten Art.
Das Terroir im Haut-Médoc
Das Haut-Médoc liegt im südlichen Teil des Médoc und zieht sich auf rund 50 Kilometern von Blanquefort im Süden bis Saint-Seurin-de-Cadourne im Norden durch die Halbinsel. 4.700 Hektar Reben verteilen sich in der Appellation Controllée auf die Randbereiche der besten Weinbaugemeinden des linken Bordeaux-Ufers. Ein Teil der Rebfläche liegt unmittelbar am Gironde-Ufer in den Gemeinden Arcins, Lamarque und Cussac zwischen Margaux und Saint-Julien. Und so unterscheidet sich der Stil der Weine je nach Standort: Weingüter im nördlichen Teil, in der Nähe von Pauillac und Saint-Estèphe, bringen einen oftmals festeren und maskulineren Stil hervor als die Châteaux im Süden rund um Margaux. Kies kennzeichnet zwar fast überall die Böden, im Haut-Médoc wird die Struktur jedoch heterogener: Hohe Anteile an Sand, Lehm und Kalk mischen sich in den Untergrund. Von Kraft bis Finesse, von mehr dunkelfruchtiger Merlot bis zu mehr würziger Cabernet – im Haut-Médoc findet man alles.
Kies kennzeichnet zwar fast überall die Böden, im Haut-Médoc wird die Struktur jedoch heterogener: Hohe Anteile an Sand, Lehm und Kalk mischen sich in den Untergrund.
Klassifizierte Châteaux im Haut-Médoc
Nicht überall können im Haut-Médoc Weine erzeugt werden, die qualitativ an die Weine aus Margaux und Co. heranreichen. Entweder geben die Böden keine Topqualitäten her oder die klimatischen Bedingungen lassen die Trauben in kühlen Jahren nicht vollends ausreifen. Seitdem der Klimawandel immer spürbarer wird, ist das Problem der Unreife zumindest in den warmen, mediterranen Jahren aber fast gänzlich verschwunden. Schon 1855, bei der Klassifizierung der besten Châteaux des linken Ufers, war klar, dass auch im Haut-Médoc absolute Weltklasseweine produziert werden können. Immerhin fünf Weingüter erhielten den Status eines Cru Classé. Auf dem Papier steht seither Château La Lagune an der Spitze der Appellation Haut-Médoc. Das 3ème Cru liegt in Ludon-Médoc südlich von Margaux und ist das erste klassifizierte Weingut, das man auf der Fahrt durch das Médoc antrifft. Gerade einmal 20 Minuten Fahrt sind es vom Stadtkern von Bordeaux bis zu La Lagune. Caroline Frey, die ihre Ausbildung unter anderem bei Denis Dubourdieu absolvierte, brachte die Rotweine in den vergangenen Jahren nach längerer Durststrecke wieder auf 3ème-Cru-Niveau. Schmelz, Frische, rote Frucht, pure Finesse und Harmonie bestimmen den Grand Vin. Nördlich von La Lagune fährt man auf der Tour durch das Haut-Médoc vorbei am 5ème Cru Château Cantemerle in Macau. Ungewöhnlich ist die Story dahinter: Auf der offiziellen Klassifikation der Weingüter des linken Bordeaux-Ufers, die im April 1855 vorgestellt wurde, war Cantemerle nicht aufgeführt. Schon im Herbst 1855 wurde es aber nach heftigem Protest der Besitzer doch noch aufgenommen – mit kleiner Handschrift ganz am Ende der Liste. Genau genommen war dies die erste Änderung der Klassifizierung, lange bevor Mouton Rothschild 1973 zum 2ème Cru befördert wurde.
Der Süden des Haut-Médoc
Ebenfalls in Macau liegt mit Cambon La Pelouse ein schickes Cru Bourgeois Exceptionnel auf einem der höchsten Hügel von Macau. Das Weingut grenzt unmittelbar an die Appellation Margaux, nächster Nachbar ist bereits Giscours. In warmen Jahren mit ausreichend Regenmengen entstehen hier immer wieder richtige Spaßweine für kleines Geld. Vorbei an Margaux geht es dann in den Bereich des Haut-Médoc, der direkt an der Gironde liegt. In Cussac-Fort-Médoc hat Château du Retout seine Rebflächen. Der Rotwein erinnert mit seinem erdigen, schwarzbeerigen Stil etwas an Lynch Bages aus Pauillac. Frédéric Soual-Kopp und seine Frau Hélène Soual keltern hier mit Beratung von Top-Önologe Éric Boissenot auch einen der spannendsten Weißweine des linken Ufers: Die Cuvée aus Gros Manseng, Sauvignon Gris, Mondeuse Blanche und Savagnin ist eine superbe Verschmelzung aus Jura, Jurançon und Bordeaux.
Weiter geht die Reise durch das Haut-Médoc an den Außengrenzen der Top-Appellationen Saint-Julien und Pauillac: Das 5ème Cru Château Belgrave liegt direkt neben dem Saint-Julien-Cru Lagrange. Seit den späten 90er-Jahren geht es hier ordentlich voran, was sicherlich auch an der Beratung von Michel Rolland liegt. Die kürzlich veröffentlichten Jahrgänge machen Belgrave zu einem Cru, das man unbedingt im Auge behalten sollte, denn qualitativ ist hier noch längst kein Ende erreicht. Einen perfekten Einstieg in die Welt von Pauillac erhält man unterdes auf Château Bernadotte, das sich im Besitz von Château Pichon-Lalande befindet.
Feuerwerk im Norden
Die Reise durch das Haut-Médoc endet nördlich von Saint-Estèphe mit einer Reihe ungemein spannender Weingüter: Das kleine biodynamische Château Doyac von Max und Astrid de Pourtalès arbeitet aufgrund der fast puren Kalkböden mit einem großen Anteil Merlot in seinen Cuvées. Östlich von Doyac liegt mit Château Charmail ein absoluter Charmeur – fruchtbetont, seidig und mit gutem Alterungspotenzial. Direkt nebenan lauert dann noch Sociando-Mallet, einer der absoluten Starbetriebe des Haut-Médoc der 90er-Jahre. Rauer und maskuliner fallen die Weine aus – sie brauchen meist etwas länger, um ganz aufzublühen.
Shootingstars im Médoc
Angst und bange kann es den Châteaux des Haut-Médoc werden, wenn die Top-Betriebe des Médoc auf den Plan treten. Die Weinregion Médoc liegt im nördlichen Teil der Halbinsel. Sie beginnt unmittelbar nach Sociando und hieß früher Bas-Médoc. Auch wenn die Böden hier schwerer werden und das Land flacher, befinden sich die Top-Weingüter mindestens auf Augenhöhe mit den besten Châteaux des Haut-Médoc. Das liegt nicht zuletzt an der extremen Arbeit, die hier geleistet wird. Clos Manou hat in nur 20 Jahren einen so immensen Aufstieg hingelegt, dass es im Grunde alle Konkurrenten aus dem Weg geräumt hat. Mehr geht weder im Médoc noch im Haut-Médoc: 16 Hektar Rebfläche in Saint Christoly du Médoc, Pflanzdichten von über 10.000 Stöcken pro Hektar, alles unter der Leitung des qualitätsbesessenen Stéphane Dief. Und dabei fliegt Clos Manou noch immer unter dem Radar der meisten Bordeaux-Freaks. Gleiches gilt für Château Haut-Maurac, dem nächsten Nachbarn von Clos Manou.
Preis-Leistungs-Hämmer so weit das Auge reicht – wer glaubt, am linken Ufer des Bordelais nur mit dem ganz dicken Geldbeutel hervorragende Weine zu bekommen, sollte dringend den Blick auf die Randgebiete der großen Appellationen werfen.
Olivier Decelle, dem auch das Top-Gut Jean Faure in Saint-Émilion gehört, bereitet auf Kies, Sand und ein wenig Lehm einen wollüstigen Rotwein, der das Gut zum direkten Verfolger von Clos Manou und Carmenère macht. Letzteres liegt rund 20 Minuten nordwestlich der beiden. Nur 3,5 Hektar werden von Richard Barraud bewirtschaftet, der nebenbei Weinbergsmanager von Haut-Bailly in Pauillac ist. Charakteristisch ist der Anteil Carmenère in der Cuvée, der dem Weingut seinen Namen und den Weinen eine feine Würze gibt.
Preis-Leistungs-Hämmer so weit das Auge reicht – wer glaubt, am linken Ufer des Bordelais nur mit dem ganz dicken Geldbeutel hervorragende Weine zu bekommen, sollte dringend den Blick auf die Randgebiete der großen Appellationen werfen. Hier rackern die kleinen, die feinen, die unterschätzten Weingüter tagtäglich für den bestmöglichen Output: perfekte Médoc-Weine für vergleichsweise kleines Geld.