Trockenbeerenauslese wird in der Regel mit Riesling in einem Satz genannt ... doch warum ist das so?
»TBA« ist eine etwas kryptische Abkürzung, in welcher viel Inhalt steckt. Vor allem viel Süße und Extrakt. Genau genommen ist die TBA ein Prädikat. Etwas old school kommen diese Prädikate daher, welche früher als Garant und Bedingung für Qualität gesehen wurden und noch heute nur für Qualitätsweine zulässig sind. Sie werden verliehen an Hand des Reifegrades der Trauben. Je mehr Zucker eine Traube hat, desto schwerer ist sie und desto schwerer ist das Mostgewicht. Letzteres wird in Öchsle angegeben. Die Einheit Öchslegrad gibt an, um wie viel schwerer beziehungsweise dichter der Traubenmost aufgrund des Zuckergehalts im Vergleich zu einem Liter reinen Wassers ist. Diese Öchsle bestimmen wiederum das Prädikat, mit dem ein Wein dann ausgezeichnet wird. Neben der TBA gibt es noch in aufsteigender (das bedeutet je mehr Öchsle desto “höher” das Prädikat) Reihenfolge die Prädikate Kabinett, Spätlesen, Beerenauslese (BA) und dann die Trockenbeerenauslese (TBA). Je mehr Zucker und damit je reifer die Trauben sind, desto wertiger also.
Heutzutage, quasi new school, verschwinden die Prädikate zunehmend. Lediglich viel Zucker als Qualitätskriterium im Erntegut zu haben, reicht nicht aus. Es gibt ferner Traubensorten, die sehr schnell viel Zucker einlagern und somit ein Mostgewicht einer Beeren- oder Trockenbeerenauslese erreichen. Diese sind dann aber lang noch nicht ausbalanciert und schmackhaft. Dazu kommen immer wärmere Temperaturen, welche den Wein schnell reifen lassen und hohe Zuckergehalte weniger schwierig zu erreichen sind, als es früher der Fall war.
Zucker ist also nicht der einzige Parameter für den Wert des Leseguts, sondern vor allem eine Balance der Aromen, Säure, Süße und Phenole.
Nicht gerechnet haben der Trend und die moderne Weinwelt jedoch mit dem Riesling. Eine spät reifende Rebsorte, bei der viele Winzer Prädikate, wie Trockenbeerenauslese noch sinnvoll erachten, da der Zucker langsam in den Trauben eingelagert wird und so ein ausgewogenes Verhältnis der Geschmacksparameter gegeben sein kann.
160° Öchsle sind für die TBA notwendig und dazu ein Befall von Botrytis, also Edelfäule. Wir reden hier nicht von grünem Schimmel, der auf dem vergessenen Brot in der Tupperware wächst, sondern ein veredelnder Schimmel, vergleichbar mit einem, der auf Käse wächst. Eine Trockenbeerenauslese soll nahezu vollständig aus rosinierten, eingetrockneten Beeren entstehen. In kühl-feuchten oder heiß-feuchten Jahren basieren TBAs meist auf botrytisierten, also edelfaulen Trauben. Der Botrytispilz perforiert die Beerenhaut und lässt den Wassergehalt durch Transpiration stetig schrumpfen – eine ganz natürliche Hyperkonzentration der Trauben!
Nur saubere, makellos eingetrocknete Botrytis ergibt einen reintönigen und brillanten Wein – hier liegt die große Kunst und das Handwerk der Süßwein-Meisterwinzer. Selektion ist alles!
In extrem heißen Jahrgängen rosinieren die Trauben teils auch ohne hohe Botrytisgehalte – auch so können herausragend gute Trockenbeerenauslesen entstehen. Die Farbe solcher Weine ist meist gelbgolden und im Glas zeigen sich Schlieren durch die Dichte und den hohen Extrakt des Weins. Der Geruch erinnert an Honig, hochfeine Beerentöne, Karamelle und intensive Trockenfrüchte. Im Mund zeigt sich eine konzentrierte, fast überwältigende Süße, welche – gerade beim Riesling – durch eine brillante, fast schmerzhaft intensive Säurestruktur austariert wird, denn auch die Säuren werden durch das Rosinieren aufkonzentriert.
Wenn man dem Prädikat Trockenbeerenauslese eigene Prädikate zuschreiben sollte, dann wären das mit Sicherheit: besonders, luxuriös und rar, denn sie werden nur in mikroskopischen Mengen erzeugt und meist auch nur in besonderen Jahrgängen, wenn die Natur es zulässt. Ein paar Spezialisten wie Weingut Robert Weil oder Dr. Hermann an der Mosel schaffen es aber, mit an Wahnsinn grenzender Akribie, nahezu jedem Jahr eine TBA abzuringen. Einen bleibenden Eindruck werden sie damit sogar für die Nachwelt noch erhalten, denn Trockenbeerenauslesen halten dank ihrer extremen Intensität und Zuckerkonzentration bei perfekter Lagerung bis zu 100 Jahre und darüber hinaus.