Wirklich verwunderlich ist das nicht, denn die Weinberge des Konzer Tälchens sind quasi die Fortsetzung des Tals, in dem auch der Scharzhofberg liegt – ähnlich kühl und winddurchzogen. Ein großes Terroir, das durch die wärmenden Hände des Klimawandels im Rücken einen atemberaubenden Aufschwung erlebt. Heute brillieren hier auch die trockenen Prädikate, für die es früher oft zu unreif war. Der wahre Grund für den kometenhaften Aufstieg des Weingutes in den letzten Jahren ist aber die irrwitzig akribische Weinbergsarbeit, die Winzer Weber und sein Sohn Johannes täglich leisten. Die Weine des Hofgut Falkenstein entstehen in schweißtreibender Handarbeit wie vor 100 Jahren. Winzer Erich Weber, der in Geisenheim Weinbau studiert hat, fing 1981 bei Null an und zog 1985 aus dem nahen Krettnach in den damals baufälligen Falkensteinerhof, um ihn selbst herzurichten.
Zuvor war das Hofgut Falkenstein noch Teil des Weinguts Friedrich-Wilhelm-Gymnasium, welches heute zu den Bischöflichen Weingütern Trier gehört. Sohn Johannes – ebenso lebensfroh und energetisch wie sein Vater, aber wahrscheinlich ein noch größerer Qualitätsfreak, der sich vor allem auch auf die Erzeugung eleganter feinherber und restsüßer Rieslinge spezialisiert hat. Heute werden rund 9 Hektar Weinberge bewirtschaftet, die alle im sogenannten Konzer »Tälchen« liegen. Parzellen mit 60 bis 90 Jahre alten Reben, über ein Hektar davon wurzelechte Stöcke, viele stehen noch in traditioneller Einzelpfahlerziehung.
Der Krettnacher Altenberg hat ein etwas kühleres Mikroklima als der Niedermenniger Herrenberg und besteht hauptsächlich aus grauem Schiefer und Quarz, sowie teilweise aus Diabas, einem seltenen grünen Basaltgestein, das auch im Saarburger Rausch und auf Maximin Grünhaus vorkommt. Der einst berühmte Euchariusberg – der wie der Scharzhofberg historisch keinen Ortsnamen trug – ist quasi so etwas wie ein »Mini-Scharzhofberg« mit ähnlicher Ausrichtung und vergleichbarer Bodenzusammensetzung. Wenn man den Keller der Webers betritt, fühlt es sich immer ein wenig an wie eine Zeitreise. Von moderner Kellertechnik ist hier absolut nichts zu sehen. 100 Prozent Holzfassausbau in Form traditioneller Moselfuder aus heimischer Eiche, die alle einen eigenen Namen tragen und eine Geschichte erzählen.
Auf Hofgut Falkenstein werden die Ganztrauben ausschließlich per Schwerkraft bewegt, anschließend zwei bis drei Stunden lang sanft gepresst. Der Most fließt ebenfalls nur durch Schwerkraft in den darunter liegenden Keller. Sedimentation im Fuder, dann Spontangärung nach Abstich in ein anderes Fass. Der Wein bleibt bis zur Abfüllung komplett auf dem Trub, keinerlei Schönung. So etwas wie einen Gutsriesling gibt es auf Hofgut Falkenstein nicht, alle Weine werden mit Lagenbezeichnung gefüllt und unterscheiden sich durch ihre unterschiedlichen Prädikate. Trauben, die den Ansprüchen nicht gerecht werden, werden an die lokale Genossenschaft verkauft. Hier soll nur großer Stoff abgefüllt werden. Wie früher üblich kommt jedes Fuder einzeln auf die Flasche. So können sie zwei oder mehr Fässer aus der gleichen Lage und mit dem gleichen Prädikat haben. Diese haben nicht die gleiche AP-Nummer, da sie aus verschiedenen Parzellen derselben Lage stammen und getrennt vergoren, ausgebaut und abgefüllt wurden.
Dieses ganz, ganz Feine, Straffe, Strahlende im Wein ist hier das Credo wie vielleicht nirgendwo sonst in Deutschland.
Die Weine werden zur Unterscheidung mit Familien- oder Gewannnamen benannt. Das Ergebnis dieser höchst sorgfältigen Weinbergsarbeit in Kombination mit der schonenden Vinifikation und der strikten Trennung nach Parzelle und Fuder sind enorm spannungsgeladene und komplexe Rieslinge. So ultraschick, tänzelnd und fein, sind sie Spiegelbilder ihrer individuellen Herkunft. Dieses ganz, ganz Feine, Straffe, Strahlende im Wein ist hier das Credo wie vielleicht nirgendwo sonst in Deutschland. Die unverblümte, teils fast beißende Säurestruktur der Falkensteiner Weine ist sicher nicht jedermanns Sache. Winzer Weber sagt, seine Weine sind folgendermaßen zu verstehen: Man kann natürlich wandern gehen auf 2000 Meter Höhe und oben ein Bierchen trinken mit schöner Aussicht – das ist nett. Aber der letzte Kick, das richtig Ergreifende passiert erst, wenn man am Seil an der Eiger Nordwand hängt. Und Falkenstein ist die Eiger Nordwand des Rieslings. Sicher nichts für diejenigen, die spazieren gehen wollen und ein paar Blümchen pflücken, sondern für alle, die den Kick suchen.