Die Ahr ist zwar nur ein kleines Anbaugebiet, war aber das erste in Deutschland, das für seine Rotweine berühmt wurde.
Der Rotwein breitete sich schnell aus. 1908 waren 92 % der Rebfläche mit roten Trauben bestockt, der allergrößte Teil Spätburgunder. Nach 1950 kam dann der Blaue Portugieser stark auf, der anspruchsloser als der Spätburgunder ist und den Winzern, die ums Überleben kämpften, wesentlich dankbarer war aufgrund seiner hohen Erträge. Heute macht die Sorte weniger als 6 Prozent des Rebensortiments aus. Selbst der Riesling (8 Prozent) hat ihm den Rang abgelaufen. Hinzu kommt ein wenig Frühburgunder. Aber 60 Prozent der heutigen 562 Hektar Anbaufläche sind mit Spätburgunder bestockt, welcher hier an der Ahr besonders an den südlich ausgerichteten Hängen des Gebiets sehr elegant ausfällt.
Für rotschalige Sorten bietet die Ahr nämlich großartige Bedingungen. Da wäre zum einen der niedrige Niederschlag mit 615 Millimeter pro Jahr, was daran liegt, dass sich die Wolken am hohen Venn und den Ardennen abregnen. Dazu kommen 1500 Sonnenstunden im Jahr und eine Jahresdurchschnittstemperatur von 9,5°C, mit recht milden Wintern. Lange Rede kurzer Sinn: Es ist relativ beständig warm an der Ahr. Diese Wärme wird vom vorherrschenden Boden dort gespeichert. Es handelt sich dabei um die Gesteinsarten Grauwacke, Schiefer an der oberen Ahr und Lößlehm an der unteren. In den jeweiligen Weinorten verändert sich der Untergrund stetig. Obwohl das Anbaugebiet so klein ist, gibt es viele Varianten an Spätburgunder zu entdecken.
»Man kann nicht weit gucken, fühlt sich aber behütet im Tal« meinte in diesem Sinne wirklich treffend einer DER Ahr-Winzer Werner Meyer-Näkel zum Deutschen Weininstitut. Rund um die mit Grauwacke geprägten Ahrweiler und Bad Neuenahr, wo das Gebiet noch etwas weiter ist, befindet sich seine Lage Silberberg. Feinfruchtig und charakterstark und mit viel Struktur beschreibt das Weingut die von dort kommenden Weine. Wenn man sich nun weiter nach Walporzheim bewegt, wird es extrem eng und steil und die Böden zeichnen sich mehr und mehr durch Schiefer aus. Von der dortigen großen Lage Kräuterberg kommt sein gleichnamiger, herausragender Spätburgunder. Und dieser Name ist auch Programm. Der Duft des Rotweins erinnert an ätherische Gewürze. Hinzu gesellen sich saftige Schwarzkirsche und vollmundige Edelbitterschokolade. Eine Note von Süßholz und sanfte Aromen von Himbeere ergänzen die Nase. Meyer-Näkel schafft es Rotweine mit endlosen Dimensionen und Vielschichtigkeit zu schaffen. Der Neuholzeinsatz, den das Weingut bei allen GGs verwendet, scheint maßgeschneidert für die Weine zu sein, so dass Jeder sein Terroir vollendet zum Ausdruck bringt. »Warum sollen wir Burgund kopieren? Es hat einen Grund, warum wir mehrere GGs haben.« so ein Mitarbeiter des Weinguts. Recht hat der Mann. Psst… in ganz speziellen Jahrgängen und extrem streng limitiert gibt es außerdem den SR. Die Lage ist dabei nicht festgelegt und es wird jedes Jahr entschieden, ob er produziert wird. Das Lesegut hierfür muss nämlich absolut perfekt sein, um einen fulminanten Wein zu erzeugen. Wir reden von nichts Geringerem als der Spitzenklasse deutscher Spätburgunder.
Bewegt man sich noch weiter über Mayschoß nach Rech trifft man auf die mit bis zu 60-prozentiger Neigung nach Süden ausgerichteten Hänge des Weingutes Jean Stodden. Die Große Lage Herrenberg bringt Burgunder hervor, welche vor Schiefer-Mineralik und Anmut strotzen. Insgesamt sind Pinots von Stodden kühl und schlank. Eher frankophil. Zwar wird auch Riesling angebaut, jedoch liegt der Fokus ganz klar auf den Rotweinen. Aus mehrmaliger Ertragsreduktion und einem frühen Lesezeitpunkt resultieren Gewächse, welche einen Spannungsbogen zwischen Eleganz und Konzentration aufbauen. Man merkt ganz klar, egal ob man einen Wein der Lage Rosenberg, Mönchberg, Herrenberg oder Sonnenberg im Glas hat, Alexander Stoddens Ziel ist nichts geringeres als Perfektion. Vermutlich wurde er nicht umsonst vom Gault Millau zum »Pinot Noir Verrückten an der Ahr« getauft. Gerüchten zufolge hält der Rotwein von der Ahr die Menschen jung. Wenn man die lebensfrohen Einwohner dort kennt, scheint das wohl zu stimmen. Rotwein von der Ahr ist ein Lebenselixier!
Mit der Ahr lassen sich aber auch große Gefühle verbinden, vor allem an Gaumen und Magen. Heimelig und doch großes kulinarisches Kino. So erschien mir das eifeler Gericht Döppekooche oder Düppekuche, welches man dort üblicherweise mit einem im Vergleich vielleicht zu eleganten Rotwein hinunterspült. Bei der Speise handelt sich um ein Ofengericht mit Speck und manchmal auch mit Brötchen im Teig. Ist es also ein Riesen-Knödel? Oder ein Kartoffelauflauf? Auf jeden Fall wirkt es ziemlich deutsch. Und was ist noch deutsch? Riesling! Ja, das ist wahr. Aber eben auch Spätburgunder.