Die Region New South Wales (NSW) erstreckt sich im Nordosten Australiens rund um die Hauptstadt Canberra und die bei uns in Europa wahrscheinlich noch bekanntere Stadt Sydney.
Obwohl Südaustralien und Victoria heute sowohl im Ausmaß der Weinproduktion als auch in der Präsenz und Bekanntheit ihrer Weine vorne liegen, ist der bevölkerungsreichste Bundesstaat Australiens die Wiege des australischen Weinbaus. Hier wurden nur unweit des heutigen Sydney Opera House und der Harbour Bridge die ersten Reben Australiens gepflanzt und von hier aus verbreiteten sich diese Reben in alle heutigen Weinregionen Down Under aus.
Die Geschichte des Weinbaus verlief hier allerdings zu Beginn erst mal etwas holprig, denn diese ersten Rebstöcke trugen 1791 zwar Früchte, wurden jedoch bald von Krankheiten befallen und gingen kurz darauf ein. Weitere, dauerhaftere Versuche folgten im frühen 19. Jahrhundert, als John MacArthur auf seinem Landgut Camden Park 1820 neue Weinberge mit europäischen Stecklingen anlegte, darunter waren auch die ersten Shiraz-Stöcke Australiens.
Australiens ältestes kontinuierlich betriebenes Weingut (Wyndham Estate) wurde 1828 im Hunter Valley gegründet und George Wyndham legte kurz darauf, 1830, den ersten kommerziellen Shiraz-Weinberg Australiens an. Ungeachtet dieser Errungenschaften hatte der 1801 in Schottland geborene Botaniker James Busby sogar einen noch größeren Einfluss auf die frühen Jahre des Weinbaus in New South Wales. Busby zog in den frühen 1820er-Jahren nach New South Wales und kehrte 1831 nach Europa zurück, um verschiedene Rebstöcke aus Spanien und Frankreich zu sammeln und sie zurück nach Australien zu bringen. Er sammelte Hunderte (!) von Exemplaren und pflanzte sie nach seiner Rückkehr ein, wobei er die Stecklinge zwischen seinem Anwesen in Kirkton im Hunter Valley und dem Botanischen Garten in Sydney verteilte.
Diese Reben – darunter waren hauptsächlich Rhône-, Bordeaux- und Burgundersorten – bildeten die Basis für den australischen Weinbau und James Busby wird auch heute noch als ›Vater‹ der australischen Weinindustrie bezeichnet.
Trotz des frühen Engagements von Busby, der übrigens 1833 nach Neuseeland weiterzog, blieb der Weinbau in Australien eine Randerscheinung, bis im Jahr 1851 Gold gefunden wurde. Die Weinberge im Hunter Valley wuchsen nur aufgrund der Nähe der Region zum Bevölkerungszentrum Sydney weiter. Leider kam die Reblaus, die die Region Victoria bereits um die Jahrhundertwende total verwüstet hatte, 1884 auch in den Weinbergen in der Nähe von Sydney und am Nordufer des Murray River, knapp 50 Kilometer östlich von Rutherglen, an. Deren Ausbreitung konnte jedoch in NSW schnell und wirksam unter Kontrolle gehalten werden, und die meisten Weinbauregionen des Bundesstaates, darunter auch das Hunter Valley, sind sogar lange Reblaus-frei geblieben.
Bis zur Gründung Australiens im Jahr 1901 waren die Weinberge nördlich von Sydney, im Hunter Valley, in Mudgee und darüber hinaus in den heutigen GIs (Geographical Indication) Hastings River und New England bereits gut etabliert. Im Jahr 1912 eröffnete das Murrumbidgee-Bewässerungsgebiet, ein gewaltiges neues Projekt, mit dem man Wasser aus dem Murrumbidgee – einem Hauptzufluss des Murray River – in die ansonsten trockenen und dürreanfälligen Ackerflächen in der Riverina-Region westlich der Great Dividing Range leitete. Ein scheinbar grenzenloses Neuland für den Anbau von Lebensmitteln und Weintrauben entstand. Penfolds folgte 1919 dem ersten Weingut der Gegend (McWilliams) nach Riverina. Die Weinregion Riverina wurde innerhalb kürzester Zeit Australiens Zentrum für die Herstellung von verstärkten, portwein-ähnlichen Weinen, die sich damals im Vergleich zu den klassischen »stillen« Tafelweinen wesentlich größerer Beliebtheit erfreuten.
Als bei der Gründung Australiens 1901 alle zwischenstaatlichen Handelsschranken abgeschafft wurden, konnte die damals rasant wachsende südaustralische Weinindustrie auch mit den ortsansässigen Weingütern in Sydney konkurrieren. Mudgee wurde zwar durch die Entdeckung von Gold im Jahr 1872 wichtig, ging aber Anfang des 20. Jahrhunderts völlig unter. Auch das Hunter Valley hatte es damals merklich schwer und die gesamte Weinindustrie der Region schrumpfte.
Erst in den 1960er-Jahren, als die Australier wieder Gefallen an klassischen Tafelweinen fanden, kam es zu einer Welle von Neuanpflanzungen.
In den 1970er-Jahren wurden entlang der Küste von NSW und im Landesinneren nahe der Great Dividing Range neue Regionen gegründet und alte wiederentdeckt. Ebenso wie der Rest Australiens erlebte auch New South Wales während des Weinbooms in den 1990er-Jahren einen rasanten Aufschwung. Viele der jungen Regionen des Staates erlebten zu dieser Zeit ein dramatisches Wachstum. Zwischen 1973 und 2011 steigerte NSW seine jährliche Weinproduktion von 73.000 Tonnen Trauben auf 580.000 Tonnen und 2010 wurden beeindruckende 29 Prozent der gesamten australischen Weinproduktion in NSW gemacht.
Der Pazifische Ozean und die Great Dividing Range gehören zu den wichtigsten klimatischen Gegebenheiten in New South Wales.
In den Küstengebieten von South Coast, Hunter und Northern Rivers ist die Luftfeuchtigkeit sehr hoch, und im Sommer kommt es hier besonders häufig zu Regenfällen. Vor allem weiter Richtung Norden erwärmt sich das Wasser mehr und die Auswirkungen des indo-australischen Monsuns sind dadurch besonders spürbar.
Die Great Dividing Range, ein Gebirgsketten-Komplex, der sich entlang der gesamten Küstenlinie von NSW erstreckt, versperrt den westlichen Gebieten den Zugang zu diesen Niederschlägen und kühlenden Meeresbrisen – die Binnengebiete Big Rivers Zone und Western Plains sind daher sogar besonders trocken und werden Richtung Norden immer heißer. Die Snowy Mountains, ein alpiner Abschnitt der Great Dividing Range, der sich im südlichen New South Wales befindet, zählen zu den höchsten Bergen Australiens. Im Hochland dieser Gebirgskette und in den nördlich und südlich davon verlaufenden Gebirgszügen ist das Klima kontinental. Die Temperaturen kühlen zudem mit zunehmender Höhe weiter ab.
Was die geografische Benennung angeht, wurde die Region Hunter Valley zum Opfer einer fehlerhaften Logik. Innerhalb der Region Hunter Valley liegt die Hunter GI. Diese hat wiederum drei Unterregionen: Upper Hunter Valley, Broke Fordwich und Pokolbin. Pokolbin und Broke Fordwich liegen beide in einem Gebiet, das traditionell als »Lower Hunter Valley« bekannt war und sozusagen das Herz der Weinregion darstellt. Die ortsansässigen Behörden entschieden jedoch, dass »Lower Hunter Valley« den Appellationsstatus nicht verdient, und stattdessen wurden die Unterregionen Pokolbin und Broke Fordwich beide zur GI (Geographical Indication) erhoben. Eine Gruppe von Spitzenwinzern des Lower Hunter Valley, unter anderem auch Tyrrell's, reagierte 2013 darauf, indem sie sich offiziell dazu äußerte, die geografische Angabe »Pokolbin« – in der sich die jeweiligen Weingüter befinden – niemals auf einem Weinetikett zu verwenden.
Das »Upper Hunter Valley« hat weniger Weinberge und eine kürzere Geschichte als das Lower Hunter Valley. Der moderne Weinbau begann hier erst 1960, als Penfolds in Wybong 250 Hektar Weinberge anlegte.
Im Hunter Valley herrscht ein feuchtes, subtropisches Klima, im Lower Hunter fallen während der Vegetationsperiode durchschnittlich über 500 mm Regen! Nach der Winkler-Skala gilt das geringfügig wärmere Upper Hunter Valley als Region IV und sie ist sogar heißer als die wärmste GI Südaustraliens, Riverland.
Trotz der Hitze bringt die Hunter Valley Zone überraschend elegante Weine mit niedrigem bis mittlerem Alkoholgehalt hervor.
Das liegt daran, dass die Traubenreife hier früh einsetzt und der Herbst eine nahezu konstante Wolkendecke mit sich bringt. Der Charakter der reifen Trauben entwickelt sich daher schon früh, wenn die Säure in den Trauben noch relativ niedrig ist. Auch die Zucker-Ansammlung in den Trauben verlangsamt sich früh, da die Reben im Frühherbst zur Produktion von Kohlenhydraten für die Ruhephase übergehen. Da es in der letzten Januarwoche häufig zu heftigen Stürmen kommt – die ersten beiden Monate des Jahres sind die feuchtesten im Hunter Valley – werden weiße Trauben je nach Jahrgang relativ früh gelesen.
Semillon ist die am häufigsten angebaute Rebsorte und der Hunter Valley Semillon ist der weltweit klassischste trockene Vertreter dieser Rebsorte. Früher wurde der Semillon in Australien als »Hunter Riesling« verkauft und das Synonym gibt einen wichtigen Hinweis auf den typischen Charakter von relativ niedrigen Alkoholwerten (häufig im Bereich von 10–12 % vol.) und einem sehr hohen Säuregehalt. Klassischer Hunter Semillon wird nicht im Holzfass ausgebaut, es wird auch kein Wert auf das Aufrühren der Hefe (Bâtonnage) gelegt. Dafür werden die besten Hunter Valley Semillon – beispielsweise der VAT 1 von Tyrrell’s, der erst nach fünf Jahren auf den Markt kommt, mehrere Jahre lang gelagert, bevor sie zum Verkauf freigegeben werden. Durch diese Reife entwickeln die Weine zusätzlich zu den zitrischen Aromen und zarten Grasnoten auch Aromen von frisch getoastetem Brot und Karamellcreme.
Tyrrell’s ist mit dem seit 1971 abgefüllten »Vat 47 Chardonnay« übrigens auch für die erste Chardonnay-Abfüllung Australiens verantwortlich. Seitdem ist Chardonnay zu einer wichtigen Rebsorte im Hunter Valley geworden, die inzwischen mehr als ein Viertel der gesamten Anpflanzungen ausmacht. Winzer in der Region betrachten die Rebsorte jedoch in der Regel nicht als Spitzen-Rebsorte und ziehen es daher vor, Semillon und Shiraz in ihren besten Lagen anzubauen.