Heute ist der australische Weinbau so vielfältig wie nie. Es gibt traditionelle Erzeuger mit klassischen Weinstilen und eine neue Generation, die ihr Glück in den Höhenlagen sucht.
Vor wenigen Jahren hätte man die Geschichte des australischen Weinbaus als rasanten Aufstieg und rasanten Fall eines Weinlandes beschreiben können. Doch so einfach ist es – wie meistens – nicht. Wir liegen von diesem großen Weinkontingent weit entfernt, sodass wir manchmal Mühe haben, aktuelle Entwicklungen zu verfolgen. Es tut sich eine Menge in Australien, und das ist gut so wie auch dringend nötig.
Die Geschichte des Weinbaus in Australien begann mit der großen Einwanderungswelle zu Beginn und Mitte des 19. Jahrhunderts. Neben Briten kamen Deutsche, Ungarn, Franzosen und viele weitere, die ihr Glück versuchten. Manche von ihnen brachten Pflanzen mit, darunter auch Reben, und sie verfügten über Knowhow, das sie in Australien anwenden wollten. Zu den Pionieren gehörte der Schotte James Busby, der als Vater des australischen Weinbaus gilt, ferner der englischstämmige Arzt Christopher Penfold und die Deutschen Joseph Ernst Seppelt sowie Johann Christian Henschke – Namen, die bis heute den australischen Weinbau vor allem in den traditionellen Gebieten wie Barossa, Adelaide Hills, Coonawarra oder Margret River maßgeblich prägen. In den ersten Jahrzehnten wurde Wein vor allem als tonisches Stärkungsmittel genutzt und meist alkoholverstärkt in Portwein-Manier ausgebaut. Es war dann der deutschstämmige Max Schubert, der in den späten 1950ern den entscheidenden Schritt wagte und für seinen Arbeitgeber Penfolds einen neuen Weinstil kreierte, der bis heute ein Synonym für den australischen Wein ist. Er hat Ikonen wie Grange, BIN 389 oder St. Henri Shiraz hervorgebracht, die in der Weinwelt berühmt sind und Penfolds zur wohl bekanntesten Marke Australiens gemacht haben.
Mit diesem dichten, reifen und enorm fruchtbetonten Stil, der von einem markanten Holzeinsatz unterstützt wird, ist Australien ab den 1980ern weltweit erfolgreich geworden. Doch haben viele Erzeuger diesen Stil nicht nur auf die großen, komplexen und alterungswürdigen Shiraz’ und Cabernet Sauvignons angewandt, sondern auf fast alle Weine. Entsprechend überfluteten alkoholstarke und holzbetonte Shiraz, Cabernets und Chardonnays bald die Supermarktregale in Asien, Europa und den USA. Die Weine galten in Fachkreisen schnell als gemacht, als Produkte einer ausgefeilten Kellertechnik und zu viel Sonne. So begann selbst die heimische Bevölkerung vor rund zehn Jahren zunehmend, die eigenen Weine links liegen zu lassen und lieber kühle, frische neuseeländische Weine zu trinken. Es bestand also Handlungsbedarf, und der wurde wahrgenommen.
Heute ist der australische Weinbau so vielfältig wie nie. Es gibt traditionelle Erzeuger mit klassischen Weinstilen (Penfolds, Torbreck, Astralis, Jim Barry, Ben Glaetzer), die weiter bevorzugt auf sehr reifen Syrahs, etwas Cabernet Sauvignon, Chardonnay und die Rhône-Sorten Grenache, und Mourvèdre setzen. Es gibt jedoch ebenso eine neue Generation junger Weinmacher, die ihr Glück mit Cabernet und den Burgundersorten in den Höhenlagen der Anbaugebiete von Victoria (Yarra-Valley), New South Wales, South Australia, Hunter-Valley, Western Australia und Tasmania sucht. Anbaugebiete wie Mornington, Peninsular, Yarra Valley, Tasmanien oder Orange kannte vor wenigen Jahren noch kaum ein Weinliebhaber, doch die handgemachten, terroirbetonten Weine dieser kühlen Bereiche gewinnen mittlerweile weltweit Respekt und höchste Bewertungen.
Zwar bleiben Shiraz – der heute immer häufiger Syrah genannt wird, wenn er kühler ausgebaut wurde –, Cabernet und Chardonnay die unbestrittenen Stars der Szene, doch findet man immer häufiger Riesling, Chenin blanc, Nebbiolo oder auch Traminer. Selbst Pinot Noir ist stark im Kommen und verspricht, analog zu Neuseeland, zumindest in absoluten Hochlagen Australiens zum Superstar zu werden. Australien mag eine Zeitlang den Wandel vor sich hergeschoben haben, doch die Zeit der Erstarrung ist vorbei. Australien ist wieder da – und es begeistert. Mit Klassikern und neuen Projekten.