Lobenberg: Der ehemalige Zweitwein des Seguin und auch zugleich der ehemalige Zweitweine der biologioschen Cuvee de la House wird in der gleichen Menge erzeugt wie der Erstwein. Gut 50.000 Flaschen. Der L'Angelot ist aber heute überhaupt kein Zweitwein mehr, sondern er kommt von anderen Parzellen, die auch nur für den L'Angelot reserviert sind. Parzellen, die feinere Kiesböden mit Sand gemischt haben. Der Seguin selbst hat deutlich mehr Lehmanteile und Kreide-Kalksteinanteile im Lehm, so dass der L'Angelot eindeutig der feinere und etwas elegantere Wein ist, der aber durchaus auch viel Dampf mitbringt. Die Reben für den L´Angelot sind ca. 25 bis 30 Jahre alt. Also etwas jünger. Aber nochmal: Es ist in Grundkonzeption mal ein Zweitwein gewesen, dann hat er sich aber sehr separat entwickelt. Es sind zwei völlig getrennte Weine, auch wenn die Angelot-Reben etwas jünger sind, aber das Terroir ist eben auch etwas unterschiedlich. Die Rebsortenzusammensetzung ist hier 60% Merlot und 40% Cabernet Sauvignon. Was verblüfft ist die Ähnlichkeit der Nase zum Seguin. Der Angelot mit seinen etwas jüngeren Reben und seinen leichteren Böden kommt als 2019er mit unglaublich viel Gripp und Frische in Nase und Mund, richtig viel Dampf. Satte rote Johannisbeere in der Nase, Cassis, Lakritze, Graphit, würzige Waldhimbeere dahinter. Weniger Charme als der 2016er, viel mehr Dampf. Nicht mit dieser ganz extremen Tiefe, dieser dichten Tanninhaltigkeit, aber schon enorm würzig. Wie der Seguin die klare mineralische Struktur und der würzige, rotfruchtige Druck. Nicht mehr Kirsche über alles sonder stark ausgeprägter Wachholder, Lakritze, Lorbeer, schwarze Olive, viel frische Minze und Eukalyptus. Das ist eine Duftwolke und eine aromatische Geschmacksexplosion im Mund. So etwas war mal ein Zweitwein? Das kann man fast nicht glauben. Aber wie Latour und Les Forts de Latour sich irgendwann verselbstständigt haben passiert es hier auch! Soviel Pflaume, Lakritze, Schokolade, Holunder, Olive, Minze im Mund, auch Zimt und eine satte Salzspur. Dieser, sich erst so freundlich präsentierende Zweitwein, macht im Mund auf einmal Druck, bekommt Länge, will seinem Vorbild, dem Erstwein Seguin nacheifern. Ist allerdings etwas schärfer im Tannin und etwas salziger in der Spur. Das Tannin im Angelot ist klar ausgeprägter, präsenter, salziger und die Fülle des Körpers steht etwas dahinter. Das ist trotzdem ein genialer, ja großer Pessac Léognan. Er wird sicherlich 3-4 Jahre brauchen, um seine Trinkreife zu erreichen. Und auch diesem Wein will ich locker 20-25 Jahre zugestehen. Das ist wirklich genialer, eleganter, raffinierter Stoff. Es gibt keinen anderen Wein, der mit diesem Wein mithalten kann in dieser Appellation und in diesem Preisbereich. Ein grandioses Schnäppchen, ja fast ein großer Wein, in seiner spannungsgeladenen, frischen und überaus mineralischen Art deutlich besser noch als 2016. Ich bin perplex, ich habe in der Qualität für diesen Preis keinerlei Vergleiche in Pessac! 95-96+/100